Peter Koch & Christof Landmesser

Ambiguität und Schriftauslegung: Beobachtungen zu Augustins SchriftDe utilitate credendi95

1 Die Frage nach der Schriftauslegung in Augustins De utilitate credendi (Einführung)

1.1 Die Komplexität der Aufgabe der Schriftauslegung

Die Auslegung der Heiligen Schriften des Alten und des Neuen Testaments hat in der christlichen Tradition zumindest auch das Ziel, die biblischen Texte für aktuelle Handlungs- und Orientierungsfragen durchsichtig zu machen. Um dies zu erreichen, müssen unklare Texte der biblischen Tradition erhellt, als ambig wahrgenommene Passagen müssen disambiguiert werden. Unklarheiten und Ambiguitäten ergeben sich bereits aufgrund der Produktion dieser Texte in großer historischer Distanz zur Gegenwart. Ambiguitäten stellen sich in den biblischen Texten aber auch auf Grund ganz verschiedener religiöser Ausrichtungen und differierender, sich gar widersprechender theologischer Interpretationen der hier versammelten Autoren ein. Die historisch, sozial und auch geographisch unterschiedlichen Verortungen der biblischen Texte sowohl mit Blick auf ihre Produktion wie auch hinsichtlich ihrer Rezeption erweitern die Vielschichtigkeit der Aufgabe einer möglichen Disambiguierung mit dem Zweck ihrer orientierenden Wahrnehmung für das Handeln in der Gegenwart und für die je eigene theologische Theoriebildung.

Die so beschriebene Pragmatik der Schriftauslegung96 erweist sich in ihrem konkreten Vollzug und in ihrer methodischen Beschreibung als noch deutlich komplexer. Selbst wenn der jeweilige Schriftausleger oder die Schriftauslegerin der Meinung sein sollte, dass die durchgeführte Auslegung das vorgegebene Ziel der Disambiguierung erreicht habe, wird sich die Sachlage außerhalb einer engen Kommunikationsgemeinschaft, innerhalb deren die Auslegung ihren Ort hat, möglicherweise anders darstellen. Die Schriftauslegung in der Absicht einer Disambiguierung hat tatsächlich immer zumindest auch den faktischen Effekt der Ambiguisierung der biblischen Texte, insofern die Interpretation eine Rekontextualisierung der ausgelegten Textpassagen in einem je aktuellen Zusammenhang bedeutet.97

Der komplexe Vorgang der Schriftauslegung mit der Absicht einer Klärung mehrdeutiger Textstellen für einen bestimmten pragmatischen Zweck lässt sich in seinen grundlegenden Elementen an einer kurzen Schrift des Kirchenvaters Augustin (354–430) darstellen.98 In seinem Text De utilitate credendi, der in die Jahre 391/392 zu datieren ist,99 entwickelt Augustin in einer knappen Form Grundlagen der Schriftauslegung, die noch nicht vor dem Hintergrund seiner etwa vier Jahre später in De doctrina christiana ausgeführten Zeichenlehre zu lesen sind.100 Das von Augustin hier vorgeschlagene Verfahren der Schriftauslegung soll mit Blick auf das Problem der Ambiguität vorgestellt und diskutiert werden.

1.2 Der pragmatische Kontext der Schrift De utilitate credendi

Augustin wendet sich mit dieser Schrift an Honoratus, dem er wahrscheinlich bereits in seinem Studium in Karthago begegnet war (Wurst 2007a, 149, Hoffmann 1997, 24–35: 25, Hoffmann 1992). In seinem zwanzigsten Lebensjahr schloss sich der christlich erzogene Augustin den Manichäern an (vgl. Pollmann 1996, 11), einer sich in dieser Zeit in Nordafrika ausdehnenden Weltreligion, die sich auf ihren persischen Begründer Mani (216–277) berief (Van Oort 2002, 731). Diese gnostische Bewegung nahm Elemente der christlichen Religion auf mit dem Anspruch, das tatsächliche Christentum im Unterschied zur katholischen Kirche darzustellen (Wurst 2007b). Systematisch betrachtet vertraten die Manichäer eine „große[-] und bewusste[-] Religionssynthese“ (Markschies 2001, vgl. auch Wurst 2007b, 85). In seiner manichäischen Phase gewann Augustin den wohl nicht christlich vorgeprägten Honoratus für den Manichäismus (Hoffmann 1997, 28f., Hoffmann 1992, 9). Augustin wechselte im Jahr 383 nach Rom, dann nach Mailand, er brach mit den Manichäern, beschäftigte sich mit dem Neuplatonismus und wurde im Frühjahr 387 von Bischof Ambrosius von Mailand getauft und kehrte dann wieder nach Nordafrika zurück (Drecoll 2007b, 153). Mit seiner Schrift De utilitate credendi versucht Augustin auch, den Manichäer Honoratus von der Lehre der katholischen Kirche zu überzeugen. Neben anderen theologischen Fragen diskutiert Augustin die zwischen den Manichäern und der katholischen Kirche strittige Frage der Schriftauslegung.101

In seiner Schrift De utilitate credendi notiert Augustin verschiedentlich seine Kritik an den Manichäern, wodurch er sein eigenes Profil als Schriftausleger erkennbar machen will.102 Die Manichäer vertraten einen grundsätzlichen Dualismus. Dieser prägte auch ihren Umgang mit der Bibel und führte sie vor allem zu einer scharfen Kritik des Alten Testaments, die im Hintergrund von De utilitate credendi steht.103 Nach dem von Mani entwickelten Mythos stehen sich das Reich des Lichts und das Reich der Finsternis seit Urzeiten entgegen (Hoffmann 1992, 18). Mit der Auseinandersetzung dieser beiden Reiche sollte die Entstehung des Kosmos vernünftig erklärt werden (Mühlenberg 1998, 736–738). Der Kampf zwischen ihnen wird im Kosmos und im Menschen ausgetragen, der als eine Vermischung der Prinzipien des Lichts und der Finsternis existiert (Wurst 2007b, 87). Mani will durch seine ihm von Gott, also aus dem Reich des Lichts, geoffenbarte Verkündigung zur ‚Gnosis‘, zur ‚Erkenntnis‘ führen, wodurch für den Menschen Erlösung möglich werde (vgl. Hoffmann 1992, 18). Mani stellt sich als den bedeutendsten der Propheten dar, zu deren Kreis aber auch der Jesus des Neuen Testaments gehörte (vgl. Hoffmann 1992, 18). In Mani spreche der nach Joh 14–16 von Jesus angekündigte Paraklet, wodurch er die „nicht mehr zu überbietende, umfassende rationale Einsicht in die volle Wahrheit vermittle“ (Hoffmann 1997, 69, vgl. auch Hoffmann 1992, 18). Damit war der Anspruch verbunden, dass Mani „der Schrift die letzte, endgültige, nicht mehr veränderte Sinndeutung“ gegeben habe (Pollmann 1996, 14). Der Streit in der Schriftauslegung wird präzise um die – nach Meinung der Manichäer – zur Erlösung erforderliche und nur rational zugängliche abschließende Wahrheit geführt.

Das Alte Testament wird von den Manichäern weitgehend abgelehnt (Hoffmann 1997, 71, Pollmann 1996, 15f.). Dort sei vom Schöpfergott die Rede, der nicht der gute Gott des Neuen Testaments, sondern der Fürst der Finsternis sei (Hoffmann 1997, 71, Hoffmann 1992, 19). Zudem widerspreche das Alte dem Neuen Testament. Und überhaupt biete das Alte Testament zu viele absurda [Absurditäten]104, die nicht vernünftig erklärt werden könnten. Ihre Kritik am Alten Testament formulieren die Manichäer in der Meinung, dass die Texte grundsätzlich in ihrem wörtlichen Sinn klar105 und die Absurditäten ebenso klar erkennbar seien. Mehrdeutigkeiten, gar Ambiguitäten in dem spezifischen Sinn, dass auf einen ersten Blick als absurd wahrgenommene Textstellen verschiedene legitime Auslegungsmöglichkeiten eröffneten, wären dann ausgeschlossen,106 sie könnten auch nicht durch eine figürliche oder durch eine allegorische Interpretation beseitigt oder sogar positiv aufgenommen werden (Pollmann 1996, 16).

2 Texte in der Kommunikation: linguistische Überlegungen

2.1 Kommunikationsmodell für Texte

Für die linguistische Interpretation von Augustins Überlegungen zum vierfachen Schriftsinn ist als erstes festzuhalten, dass wir es durchweg mit Textsammlungen (Altes Testament und Neues Testament), mit (Einzel-)Texten (Buch Genesis, Bücher Samuel, Matthäus-Evangelium, Buch Jona, verschiedene Paulus-Briefe und nicht zuletzt Augustins De utilitate credendi) und näherhin mit Textstellen zu tun haben. Dies verweist uns auf eine Einsicht, die sich in der Linguistik seit einigen Jahrzehnten – gegen die perspektivische Verkürzung einer puren Satz- Linguistik – gut etabliert hat: Menschliche Kommunikation vollzieht sich in Form von Texten.107 Diese Einsicht lässt sich rückbinden an das grundlegendste und älteste aller Kommunikationsmodelle, das Organon-Modell, das im platonischen Kratylos-Dialog (388 B) eingeführt und von Karl Bühler (1934) wieder aufgegriffen wird: Sprache ist ein „Werkzeug […], womit einer dem anderen etwas mitteilt über die Dinge“ (24ff.). Die vier Instanzen der Kommunikation sind also: einer, d.h. der Sprecher/Schreiber oder, allgemeiner, der Produzent; der andere, d.h. der Hörer/ Leser oder, allgemeiner, der Rezipient; die Dinge, d.h. die außersprachlichen Gegenstände und Sachverhalte, über die kommuniziert wird; und schließlich etwas, d.h. das sprachliche Zeichen oder, wie wir nun aus dem zuvor angedeuteten Blickwinkel sagen wollen, die Mitteilung oder der ‚Text‘.108

In dieser Tradition steht ein erweitertes, textorientiertes Modell sprachlicher Kommunikation, das von Gülich & Raible (1977, 21–46, besonders 25) entwickelt wurde und dessen für uns wichtigste Erweiterungen bzw. Spezifizierungen kurz erwähnt seien. Im Anschluss an Jakobson (1960) wird hier noch die Instanz der langue eingeführt – verstanden als „System konstitutiver Regeln für Sprechereignisse“ –, ferner die Intention des Produzenten und die Reaktion des Rezipienten (zu diesen Punkten: 2.2). Außerdem werden in einer Feinanalyse zwei verschiedene textrelevante Relationstypen unterschieden (Referenz und textinterne Relationen), auf die wir in 2.3 sowie in 3.2 und 4.2 noch zurückkommen werden.

2.2 System/Diskurs, Produktion/Rezeption und das Problem der Intentionalität

Einige der Elemente des Kommunikationsmodells nach Gülich & Raible bieten interessante Anknüpfungspunkte für die diesem Sammelband zugrunde liegende Matrix des Problemfeldes der Ambiguität (Abb. 1; vgl. Winkler, Introduction, §2, Ambiguity Model). Zunächst einmal sind auch hier die Pole ‚Produzent‘ bzw. ‚Produktion‘ (P) und ‚Rezipient‘ bzw. ‚Rezeption‘ (R) fundamental. Auch die Einführung der langue in das Kommunikationsmodell ist aus der Sicht des Problem-Rasters nach Abb. 1 willkommen. Dort ergibt sich in der Tat das zentrale Spannungsfeld zwischen dem System als virtuellem Regelvorrat und dem Diskurs als den aktuellen Sprechereignissen, die auf der Grundlage der Regeln des Systems stattfinden. Aus der interdisziplinären Sicht des vorliegenden Sammelbandes umfasst dabei ‚System‘ zwar an prominenter Stelle auch das Sprachsystem im engeren Sinne (hier nun wirklich: langue), aber darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Regelkomplexe kommunikativer und überhaupt menschlicher Praxis.

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Abbildung 1: Matrix der Ambiguität

‚Intentionalität‘ ist eines der sieben Kriterien für Textualität nach de Beaugrande & Dressler (1981). In diesem Sinne bringen auch schon Gülich & Raible (1977, 24, 30) die ‚Intention‘ des Sprechers bzw. Produzenten in ihr textorientiertes Kommunikationsmodell ein. Hier ist nun aus der Sicht von Abb. 1 ein wichtiger Punkt zu präzisieren. Mit ‚Intention‘ ist im textlinguistischen Rahmen die globale Handlungsintention gemeint, die wir – insbesondere aus pragmalinguistischer Sicht – den produzierten Texten oder Textteilen unterlegen können: die bewusste Wahl einer (Teil-)Textfunktion, z.B. auf illokutionärer, perlokutionärer und/oder argumentativer Ebene.109 Dies sind tatsächlich bewusste Ziele, die der Produzent mit der Hervorbringung (größerer) kommunikativer Einheiten zu erreichen versucht. Bei kleineren sprachlichen Einheiten bis hinunter zum Phonem ist jedoch eine Intentionalität keineswegs vorauszusetzen, weil hier vieles routinehaft abläuft (nicht als ‚Handlung‘, sondern als ‚Operation‘ im Sinne Leont’evs 1984, 41). Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch bei kleineren sprachlichen Einheiten – vermutlich bis hinunter zum Lexem – Intentionalität walten kann. Insofern lohnt es sich sehr wohl, so wie in Abb. 1, die Frage zu stellen, inwieweit bei einer bestimmten lokalen Regelanwendung der Produzent strategisch, also intentional vorgeht (PS+) und inwieweit nicht (PS). Wichtig ist zudem, dass dieses Problem auf der Rezeptionsseite in spiegelbildlicher Weise auftritt:110 Der Rezipient kann routinehaft und damit nicht strategisch vorgehen (RS) oder sich – insbesondere bei komplexen Kommunikationsakten – bestimmte Rezeptionsstrategien zulegen (RS+).

2.3 Referenz und textinterne Relationen

Ein letzter Punkt, bei dem wir nochmals auf Gülich & Raible (1977, 40–46) zurückgreifen, betrifft das Relationengeflecht, in dem Texte stehen. Zu unterscheiden sind Relationen, die aus dem Text hinausweisen (Referenz), und textinterne Relationen. Bei den Relationen der Referenz geht es um die für das weiter oben diskutierte Kommunikationsmodell zentralen Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen des Textes und den außersprachlichen Gegenständen oder Sachverhalten, die im Text dargestellt werden. Dies werden wir in 4.2 auf der Grundlage eines Zeichenmodells vertiefen. Die textinternen Relationen sind demgegenüber diejenigen, die die (semantisch-pragmatische) ‚Kohärenz‘ und die (formale) ‚Kohäsion‘ des Textes begründen sowie seine ‚Informativität‘ sichern (womit drei weitere der sieben Kriterien für Textualität nach de Beaugrande & Dressler 1981 angesprochen sind). Hier geht es beispielsweise um Dialogstrukturen, um die Entfaltung des Gesamtthemas im Fortlauf des Textes, um die Informationsstruktur, um Illokutionsfunktionen und -hierarchien, um Argumentationsstrukturen usw. Den letztgenannten Aspekt der textinternen Relationen argumentativer Art werden wir in 3.2 auf der Grundlage gängiger Argumentationsmodelle vertiefen.

3 Textstaffelung und Argumentation in De utilitate credendi, 5–9

3.1 Textstaffelung

Die Überlegungen in Abschnitt 2 erlauben es uns, das für unseren Augustin-Textausschnitt relevante Textgeflecht etwas zu systematisieren. Dem Autor geht es hier darum, im Rahmen seiner antimanichäischen Argumentation zu zeigen, dass die angeblichen absurda bzw. – nach Augustins defensiverer Diktion – mysteria (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 9 [102,11]) im Alten Testament einer Interpretation zugänglich sind, wenn man über eine geeignete Methode der Exegese nach dem vierfachen Schriftsinn verfügt. Damit geht seiner Meinung nach die manichäische Kritik am Alten Testament ins Leere (vgl. 1.2). Die Methode muss selbstverständlich mit Bezug auf Textstellen aus dem Alten Testament vorgeführt werden.

Das Besondere an Augustins Vorgehen besteht nun darin, dass wir es nicht nur, wie man es in einem solchen Fall erwarten würde, mit einer zweifachen Staffelung von interpretierendem Text (De utilitate credendi) und interpretierten Texten (aus der Bibel) zu tun haben, sondern dass sich eine dreifache Staffelung ergibt, die in Abb. 2 (s.u.) schematisiert ist und die anhand des Abschnitts über den historischen Schriftsinn bei Augustin illustriert und entfaltet werden soll:

(Zit. 1)

Nam de historia illud sumptum est, cum obiectum esset, quod die sabbati discipuli eius spicas evulsissent: „Non legistis“, inquit, „quod fecit David, cum esuriret et qui cum eo erant? Quomodo intravit in domum dei et panes propositionis manducavit, quos non licebat ei manducare neque eis, qui cum eo erant, nisi solis sacerdotibus?“ (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 6 [92,4–10]).

 

„So ist folgende Stelle im historischen Sinn gedeutet: Als man Christus zum Vorwurf machte, dass seine Jünger am Sabbat Ähren ausgerissen hätten, antwortete er: ‚Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und seine Begleiter Hunger hatten? Wie er in das Haus Gottes eintrat und die Schaubrote aß, die weder er noch seine Begleiter essen durften, sondern allein die Priester?‘“

Wir befinden uns hier auf der Ebene A von Abb. 2, auf der Augustin Definitionen der Auslegungsmethoden liefert und biblische Textstellen exemplarisch in seine Systematik einordnet. Das Stichwort de historia sumptum est nimmt den definierenden Passus im vorausgehenden Kapitel von De utilitate credendi (s. unten Zit. 15) wieder auf. Mit illud in Zit. 1 wird auf Ebene A zu einem Beispiel übergeleitet, das im Zitat einer Äußerung Christi besteht (Non legistis… nisi solis sacerdotibus?). Dabei handelt es sich um die Wiedergabe einer lateinischen Übersetzung einer NT-Textstelle, die ihrerseits Christus in direkter Rede wiedergibt. Augustin bedient sich hier, wie in 3.2 noch darzulegen sein wird, eines argumentum ex auctoritate , indem er ein Beispiel zitiert, in dem eine der Autoritäten des Neuen Testaments, welche ja auch die Manichäer akzeptierten, eine Interpretation vornimmt, die nach Augustins Ansicht einer der vier Methoden des Schriftsinns folgt (hier: der historischen). Mit dieser neutestamentlichen Stelle (hier: Mt 12,3–4) befinden wir uns auf der Ebene B (Abb. 2, Position B.1 „interpretierende NT-Textstelle“). Im vorliegenden Fall ist es Christus selbst, der die Interpretation ausführt.

In einigen, aber nicht in allen Fällen verknüpft Augustin die interpretierende NT-Textstelle (Position B.1) mit ihrem eigenen Kotext im NT, der den Anlass des Interpretationsaktes auf der Ebene B enthält. Dies entspricht in Abb. 2 der NT-Kotext-Stelle (Position B.2), die in unserem Fall im Matthäus-Original der Passage der Position B.1 unmittelbar vorausgeht:

(Zit. 2)

Zu der Zeit ging Jesus durch ein Kornfeld am Sabbat; und seine Jünger waren hungrig, fingen an, Ähren auszuraufen und zu essen. 2Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbat nicht erlaubt ist (Mt 12,1–2).111

Bei Augustin – auf Ebene A – erscheint dies nur in Form einer knappen Paraphrase: cum obiectum esset, quod die sabbati discipuli eius spicas evulsissent (Zit. 1).

Die Textstelle der Position B.1 nimmt ihrerseits Bezug auf eine „zu interpretierende AT-Textstelle (Abb. 2, Ebene C) – im vorliegenden Fall:

(Zit. 3)

David sprach zu dem Priester Ahimelech: […] 4Hast du nun etwas bei der Hand, etwa fünf Brote oder was sonst vorhanden ist, das gib mir in meine Hand. 5Der Priester antwortete David: Ich habe kein gewöhnliches Brot bei der Hand, sondern nur heiliges Brot; nur müssen die Leute sich der Frauen enthalten haben. 6David antwortete dem Priester: Sicher, Frauen waren uns schon etliche Tage verwehrt. […] 7Da gab ihm der Priester von dem heiligen Brot, weil kein anderes da war als die Schaubrote, die man vor dem HERRN nur hinwegnimmt, um frisches Brot aufzulegen an dem Tage, an dem man das andere wegnimmt (1Sam 21,3–7).112

Auf der Ebene A wird diese Stelle der Ebene C nicht zitiert, sondern sie erscheint als Paraphrase innerhalb der in direkter Rede wiedergegebenen Äußerung Christi auf der Ebene B – hier: cum esuriret [David]… nisi solis sacerdotibus? (Zit. 1) –, die dann wiederum auf Ebene A zitiert wird. Die Kenntnis der C-Stelle wird offenbar als Hintergrund vorausgesetzt.

Entsprechend kann die Textstaffelung in weiteren Passagen in De utilitate credendi, 5–9 entfaltet werden, in denen die Interpretationsmethoden eine Exemplifizierung erfahren. Die Position B.2 ist dabei nur fakultativ besetzt. Auffällig ist allerdings der Abschnitt zum analogen Schriftsinn, wo Augustin die Elemente der Ebenen B und C schuldig bleibt, da er abrupt zu einer Diskussion der Fälschungshypothesen der Manichäer übergeht (dazu genauer unten 5.4).

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Abbildung 2: Textstaffelung im Umfeld von De utilitate credendi, 5–9

3.2 Argumentation

De utilitate credendi ist ein in weiten Teilen argumentativer Text, und insofern spielt auf den Ebenen A und B des Schemas in Abb. 2 das Phänomen der Argumentation eine zentrale Rolle (dies entspricht einem Typ der in 2.3 angesprochenen ‚textinternen Relationen‘). Dass es beispielsweise auf der Ebene A um Argumentation geht, erhellt sich aus der Verwendung des Begriffspaares accusaredefendere (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 4 [88,1]), welches auf die Kritik (des Alten Testaments durch die Manichäer) und deren Zurückweisung (durch Augustin) innerhalb einer als öffentlich zu denkenden Diskussion zielt (vgl. Hoffmann 1997, 105 mit Anm. 8). Bei der Analyse von Argumentationsstrukturen und -relationen genügt es für unsere Zwecke, auf Toulmins einfaches, aber nach wie vor leistungsfähiges Argumentationsmodell zurückzugreifen, das hier –in zusätzlich reduzierter Form – anhand der zentralen These der Kapitel 5–9 von Augustins Schrift, also mit Bezug auf Ebene A, exemplifiziert werden soll (vgl. zu den Kategorien Toulmin 1958, 94–107, ferner Kopperschmidt 1989, 123–142, van Eemeren & Grootendorst 2004, 45f., Bayer 2007):113

(1)

  1. Claim: Das Alte Testament kann nach dem vierfachen Schriftsinn (ohne absurda) ausgelegt werden.
  2. Datum: Die Autoritäten des Neuen Testaments selbst haben die Interpretationsmethode des vierfachen Schriftsinns angewandt.
  3. Warrant: Was die Autoritäten des Neuen Testaments getan haben, ist legitim für andere Exegeten.

Das pragmatische Zentrum jeder Argumentation ist eine zu stützende These, um deren Plausibilisierung es geht (claim nach Toulmin). Im Falle Augustins wäre der Claim (1a), der sich aus der Einleitung des gesamten für uns relevanten Passus ergibt: Omnis igitur scriptura, quae testamentum vetus vocatur, … quadrifariam traditur:… (s.u. Zit. 5). Der Claim wird durch eine als sicher betrachtete Tatsache gestützt (datum nach Toulmin) – hier (1b), was in folgender Textstelle expliziert wird:

(Zit. 4)

His omnibus modis dominus noster Iesus Christus et apostoli usi sunt (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 6 [92,3–4]).

 

„Alle diese Methoden [sc. des vierfachen Schriftsinns] haben unser Herr Jesus Christus und die Apostel angewandt.“

Entfaltet wird dieses Datum dann in vierfacher Weise in Form der anschließenden Darlegungen in Kap. 6–8 zu den einzelnen modi des Schriftsinns. – Den Übergang vom Datum zum Claim ermöglicht eine allgemeine Annahme (warrant nach Toulmin) – hier (1c) –, wobei der Warrant im Augustin-Text implizit bleibt, was wir generell in der Argumentation sehr häufig erleben. Unterschiedliche Typen von Warrants lassen sich nach Perelman und Olbrechts-Tyteca systematisieren (vgl. auch van Eemeren & Grootendorst 2004, 50). Im vorliegenden Fall haben wir es mit einer Argumentation zu tun, die bestimmte Personen und ihr Handeln ins Spiel bringt: die Autoritäten des Neuen Testaments (Christus selbst und Paulus), denen selbstverständlich eine besonders starke Legitimationskraft zukommt. Es handelt sich also um ein argumentum ex auctoritate bzw. ad verecundiam (vgl. Perelman & Olbrechts-Tyteca 1983, 410–417).

Auch die Textstellen der Position B.1 sind jeweils argumentativer Natur, wobei es um diverse Argumentationszusammenhänge geht, die sich innerhalb des Neuen Testaments auftun. Dabei werden die Textstellen der Ebene C und ggf. der Position B.2 in unterschiedlicher Weise in die Argumentation eingebracht, wie sich verschiedentlich in Abschnitt 5 zeigen wird.

4 Die vierfache Schriftauslegung nach Augustins Schrift De utilitate credendi: Allgemeine und semiotische Überlegungen

Für die Manichäer und für Augustin steht mit der Frage nach dem Schriftverständnis nicht weniger als das Heil des Menschen zur Debatte. Dieser religiöspragmatische Kontext prägt die heftige Auseinandersetzung. Erst das angemessene Verständnis der Schrift verschafft den Zugang zur Wahrheit, die den Menschen rettet. Wie die Ausführungen Augustins zeigen, stehen sich mit Blick auf die Frage nach der Ambiguität zwei nicht vereinbare Modelle der Schriftauslegung gegenüber. Während die Manichäer die Eindeutigkeit der Schrift in ihrer Entstehung, also als Resultat ihrer Produktion, behaupten, und dieser entsprechend auch eine eindeutige Rezeption fordern, geht Augustin davon aus, dass die Heilige Schrift bereits in ihrer Produktion – zumindest an einigen Stellen –mehrdeutig verfasst worden sei. Dies muss nach Augustin auch in der Rezeption der biblischen Texte berücksichtigt werden. Seine grundsätzliche Behauptung ist, dass sich die Bedeutung der Heiligen Schrift gerade nicht in ihrem Literalsinn erschöpft, vielmehr müssen andere Sinndimensionen erschlossen werden, um zur Wahrheit durchzudringen. Augustin ist nicht der erste Theologe der christlichen Zeit, der von der Mehrdeutigkeit der Schrift redet. Vor dem Hintergrund seiner neuplatonischen Bildung und seiner an Cicero geschulten Rhetorik entwickelt er in De utilitate credendi eine die mehrdeutigen Schriftstellen produktiv für sein Wahrheitsverständnis einsetzende Methodik.

Für Augustin ist die Kritik der Manichäer am Alten Testament eine Vermessenheit (temeritas).114 Das Alte Testament könne den an ihm Interessierten auf vierfache Weise nahegebracht werden:

(Zit. 5)

Omnis igitur scriptura, quae testamentum vetus vocatur, diligenter eam nosse cupientibus quadrifariam traditur: secundum historiam, secundum aetiologiam, secundum analogiam, secundum allegoriam (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 5 [90,6–9]).

 

„Nun, das gesamte sogenannte Alte Testament bringt man denen, die an seiner genauen Kenntnis interessiert sind, mit vier Auslegungsmöglichkeiten nahe: mit der Auslegung im historischen, im aitiologischen, im analogen und im allegorischen Sinn.“

Die vier Auslegungswege sieht Augustin durch Jesus und die Apostel in deren Umgang mit dem Alten Testament legitimiert (vgl. zur Argumentation oben Zit. 4 und 3.2). Insofern diese neutestamentlichen Autoritäten mit diesen vier Weisen der Auslegung einen positiven Zugang zum Alten Testament praktizieren, stellt er schon grundsätzlich fest, dass dieser Teil der Heiligen Schrift nicht verabschiedet werden kann.

Augustin bestimmt zunächst die vier Auslegungsweisen und gibt anschließende erläuternde Hinweise zu den historischen, ätiologischen und allegorischen Verfahrensweisen, für die Analogie nennt er kein Beispiel.

4.1 Vier modi des Schriftsinns: historisch vs. nicht historisch

Nach all diesen – wie sich zeigen wird, unerlässlichen – Überlegungen kommen wir nun zu den Problemen der Ambiguität, denn es leuchtet intuitiv unmittelbar ein, dass Texte, die unterschiedliche Interpretationen erfahren können, als ‚ambig‘ bezeichnet werden müssen, so wie im vorliegenden Fall die Texte des Alten Testaments. Ganz offensichtlich sind die vier Auslegungsmodi des historischen (Hist), des ätiologischen (Aet), des analogen (Ana) und des allegorischen (All) Schriftsinns Generatoren von Ambiguität. Im Rahmen der Debatte mit den Manichäern scheint in einer ersten Annäherung einiges dafür zu sprechen, dass diese vier modi nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Manichäer lehnten Ambiguitäten in biblischen Texten ab und glaubten an die Existenz eines klar erkennbaren wörtlichen Sinnes bzw. schlossen eben diejenigen Texte aus, die einen solchen nicht hatten; sie kannten also eigentlich nur – sagen wir es vorsichtig – so etwas wie einen ‚historischen‘ Sinn (s.o. 1.2 und s.u. 5.2). Es bietet sich demnach auf den ersten Blick an, eine Gruppierung der vier modi nach dem Schema „Hist vs. Aet/Ana/All“, also nach dem Prinzip historisch vs. nicht historisch vorzunehmen:

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Abbildung 3: Prima facie-Gruppierung der vier modi des Schriftsinns

In die gleiche Richtung scheint die relative Reihenfolge zu deuten, in der Augustin die vier modi – mit ganz ähnlichen Definitionen – in dem etwa zwei Jahre nach De utilitate credendi geschriebenen Text De genesi ad litteram inperfectus liber aufführt:

(Zit. 6)

quattuor modi a quibusdam scripturarum tractatoribus traduntur legis exponendae, […]: secundum historiam, secundum allegoriam, secundum analogiam, secundum aetiologiam. historia est, cum siue diuinitus siue humanitus res gesta commemoratur; allegoria, cum figurate dicta intelleguntur; analogia, cum ueteris et noui testamentorum congruentia demonstratur; aetiologia, cum causae dictorum factorumque redduntur (Augustinus 1894, De genesi ad litteram inperfectus liber, 2,5 [Augustinus 1894, 461]).

 

„Von einigen Interpreten der Heiligen Schrift werden vier Methoden der Auslegung des Alten Testaments überliefert; […]: die historische, die allegorische, die analoge und die ätiologische. Die historische Methode liegt dann vor, wenn etwas berichtet wird, das, sei es von Gott oder von den Menschen, getan wurde; die allegorische dann, wenn bildlich Ausgedrücktes interpretiert wird; die analoge, wenn die Übereinstimmung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament aufgezeigt wird; die ätiologische, wenn Begründungen für das Gesagte oder Getane gegeben werden“ (unsere Übersetzung).

Die Tatsache, dass hier die in De utilitate credendi gewählte Reihenfolge „Aet–Ana–All“ in „All–Ana–Aet“ umgewandelt wird, während sich „Hist“ weiterhin, am Anfang stehend, davon abhebt, scheint ebenfalls darauf hinzudeuten, dass es sich bei „Aet/Ana/All“ um eine geschlossene Gruppe handelt, deren Mitglieder gleichberechtigt nebeneinander stehen. Wir fassen sie in Abb. 3 tentativ als NICHT HISTORISCH zusammen.

Man könnte nun auf den Gedanken kommen, den ‚historischen‘ als den ‚wörtlichen‘ Schriftsinn zu verstehen. In diese Richtung scheint in der Definition des historischen Schriftsinns in Zit. 6 das Stichwort res gesta zu weisen, dem in der ausführlicheren Definition die Formulierung quid scriptum aut quid gestum sit entspricht (s. weiter unten Zit. 15). Auch das Beispiel, das Augustin in De utilitate credendi zur Veranschaulichung des historischen Schriftsinns verwendet (Zit. 1), hebt ganz auf das gestum (und das scriptum) ab. Christus nimmt offensichtlich an, dass das Berichtete (scriptum), auf das er mit non legistis anspielt, dem tatsächlich Geschehenen (gestum) entspricht, dessen Wiedergabe er mit quod fecit David… einleitet (Hoffmann 1997, 110).

Es irritiert jedoch die Tatsache, dass zumindest in De utilitate credendi –nicht in De genesi ad litteram inperfectus liber (Zit. 6) – neben das gestum auch das nur als tatsächlich geschehen Erzählte tritt (Zit. 15): non gestum, sed tantummodo scriptum quasi gestum sit (s.u. 5.2). Hier eröffnet sich also im Rahmen des historischen Schriftsinns ein wesentlich weiterer Interpretationshorizont, der über die bloße Wörtlichkeit hinausweist. Man tut also gut daran, es fürs Erste entsprechend Abb. 3 bei der Gegenüberstellung HISTORISCH vs. NICHT HISTORISCH zu belassen.

Ganz eindeutig ist demgegenüber, dass der allegorische Schriftsinn von Augustin als nicht wörtlich gekennzeichnet wird. Ausdrücklich hebt er von der Interpretation ad litteram die figurate intellegenda ab (Zit. 7). Nachdem Augustin den allegorischen Schriftsinn besonders reichhaltig exemplifiziert und ihm offenbar eine ausgezeichnete Stellung zuweist, bietet es sich an, an erster Stelle seine allegorischen Beispiele näher zu betrachten (5.1), um ein möglichst klares Bild von seinem Verständnis von Nichtwörtlichkeit und Ambiguität zu gewinnen. Zuvor jedoch sind einige semiotische Grundlagen für das Verständnis von Ambiguität zu legen (4.2).

4.2 Semiotische Grundlagen der Modellierung von Ambiguität

Bei der Frage nach Nichtwörtlichkeit und Ambiguität geht es, grob gesagt, darum, welchen Inhalt bzw. welche Inhalte wir einem bestimmten sprachlichen Ausdruck zuschreiben können. Damit stoßen wir auf einen weiteren Aspekt des in 2.3 angesprochenen Relationengeflechts, in dem Texte stehen: die Relationen der Referenz zwischen sprachlichen Elementen des Textes und den außersprachlichen Gegenständen oder Sachverhalten, die im Text dargestellt werden. Wir wollen daher im Folgenden von der ‚referenziellen‘ Fragestellung sprechen.

Für die vertiefte Behandlung einer solchen Fragestellung benötigen wir ein semiotisches Modell.115 Wir verstehen den Gesamtrahmen unserer exegetischen Problematik am besten, wenn wir als Ausgangspunkt ein relativ komplexes pentadisches Modell heranziehen (Abb. 4),116 das wir anschließend für unsere Zwecke reduzieren können. Grundsätzlich müssen wir bei Zeichen unterscheiden zwischen ihrer virtuellen Existenzweise in einem sprachlichen (oder sonstigen) System und ihrer aktuellen Verwendung im Diskurs (vgl. die Unterscheidung System vs. Diskurs in Abb. 1). Auf der virtuellen Ebene hat jedes Zeichen eine Ausdrucksseite (in der Tradition von Saussure 1916, 97–100: signifiant = ‚Signifikant‘) und eine Inhaltsseite (in der Saussureschen Tradition signifié = ‚Signifikat‘). So entspricht beispielsweise dem lateinischen Zeichen arbor im System dieser langue als Signifikant eine abstrakte phonologische bzw. graphematische Repräsentation des Typs /ărbŏr/ bzw. 〈arbor〉 und als Signifikat eine abstrakte Semstruktur, aus der hervorgeht, dass arbor im lateinischen Lexikon semantisch in Opposition zu flōs ‚Blume‘, frutex ‚Strauch‘ usw. steht. Der Signifikant findet auf aktueller Ebene seine Realisierung jeweils in einer individuellen, einmaligen Lautung oder in einem individuellen, einmaligen Schriftbild.

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Abbildung 4: Pentadisches semiotisches Modell (nach Raible 1983, 5)

Das Signifikat hat auf inhaltlicher Seite ein – immer noch virtuelles – außersprachlich-semantisches Pendant, das das Weltwissen der Sprecher über Bäume umfasst (Gemeinsamkeiten mit anderem vegetalem Gewächs, Tragen von Blättern oder Nadeln, Stamm aus Holz, Wurzelwerk, Schatten usw.). Wir wollen hier von ‚Konzept‘ sprechen und es, für unser Beispiel, verkürzend als BAUM notieren.117 – Auf aktueller Ebene bezieht sich das sprachliche Zeichen, vermittelt über sein Signifikat und das Konzept, auf einen oder mehrere individuelle Gegenstände oder Sachverhalte in der realen oder imaginierten außersprachlichen Wirklichkeit. Wir sprechen hier vom ‚Referenten‘; in unserem Fall wären dies ein bestimmter Baum oder eine bestimmte Menge von Bäumen. Voraussetzung ist, dass der Referent unter das Konzept subsumierbar ist.

Die Linie zwischen Lautung/Schriftbild und Referent ist in Abb. 4 nur gestrichelt, weil es in der Semiose zwischen ihnen keine direkte Beziehung gibt, sondern nur eine indirekte, die über die übrigen Instanzen des semiotischen Modells läuft. Diese Relationslinie Signifikant–Signifikat–Konzept–Referent bezeichnen wir hier als ‚referenziell‘, weil der außersprachliche Referent ihr natürlicher Zielpunkt ist: Während wir in Texten kommunizieren (2.1), referieren wir unter anderem auf außersprachliche Gegenstände und Sachverhalte.

Im vorliegenden Rahmen der Textexegese können wir zwei Elemente des semiotischen Modells in Abb. 4 ausklammern. Erstens ist die aktuelle Lautung bzw. das aktuelle Schriftbild bei einer rein semantisch orientierten Fragestellung nicht von Belang. Zweitens spielt das einzelsprachliche Signifikat der in den Texten vorkommenden Zeichen, wiewohl aus linguistischer Sicht hochrelevant, in Augustins Diskussion gar keine Rolle. Dies ergibt sich ganz einfach aus der Beobachtung, dass die einzelsprachliche Zugehörigkeit der beteiligten Texte offenbar als irrelevant angesehen wird. Bezogen auf Abb. 3 können wir sagen, dass Augustins Text der Ebene A auf Lateinisch abgefasst ist, die neutestamentlichen Textstellen der Ebene B auf Griechisch und die alttestamentlichen Textstellen der Ebene C auf Hebräisch. Auf Ebene A werden jedoch Textstellen der Ebenen B und C in lateinischer Sprache zitiert, paraphrasiert und kommentiert. Selbst wenn Augustin sich dabei einer lateinischen Übersetzung bedient, ist entscheidend, dass – trotz der interpretatorischen Problemstellung – die Sprachenfrage gar nicht gestellt wird. Es geht also ausschließlich um die außersprachlichen Referenten bzw. ihre Subsumierung unter Konzepte als interlinguale Invarianten.118 Unterstützt wird diese Einsicht durch die Tatsache, dass Diskussionsgegenstand nicht nur, aber doch großenteils komplexe und recht idiosynkratische Sachverhalte sind (z.B. die Jona-Geschichte). Sprachsysteme halten für derartige Sachverhalte gar keine eigenen Zeichen mit Signifikaten vor; sie bieten allenfalls die Möglichkeit, aus kleineren Zeichen (mit einem je eigenen Signifikat) umfangreichere Zeichen (Sätze, Teiltexte) zur Bezeichnung solcher Sachverhalte zu kombinieren.

Insgesamt ergibt sich also für die referenzielle Fragestellung ein reduziertes, triadisches semiotisches Modell, bestehend aus denjenigen Instanzen, die bereits in Abb. 4 mit einem fetten Anfangsbuchstaben ausgezeichnet waren, nämlich Signifikant, Konzept und Referent:119

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Abbildung 5: Reduziertes, triadisches semiotisches Modell

Wir nehmen außerdem bezüglich des Verhältnisses von ,virtuell/System‘ und ‚aktuell/Diskurs‘ in Abb. 5 eine Gewichtsverschiebung gegenüber Abb. 4 vor. Konzepte (K) sind einerseits eingebunden in Konzeptsysteme und in systematische Beziehungen zu sprachlichen Zeichen bzw. Signifikanten (S) einer bestimmten langue; zum anderen können jedoch beim Bezug auf individuelle Referenten (R) im aktuellen Diskurs die Beziehungen zwischen Signifikanten und Konzepten ad hoc modifiziert werden oder sogar völlig neue Konzepte entstehen. Das Konzept (K) stellt in diesem Sinne einen „Angelpunkt“ zwischen virtuellen Systemen und aktuellem Diskurs dar, so dass die Trennlinie nun genau durch K hindurch verläuft.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die üblichen linguistischen Modelle (einschließlich Abb. 4) in erster Linie die Semiose einfacher Zeichen (Morpheme, Wörter) abbilden sollen. Bei der vorliegenden Thematik haben wir es, wie oben bereits angedeutet, in starkem Maße auch mit umfangreicheren Zeichen zu tun. In Abb. 5 ist S dementsprechend je nach Bedarf als ‚Wort‘, ‚Satz‘ oder ‚Teiltext‘ zu lesen; K entspricht nicht nur einfachen Konzepten, sondern ggf. auch umfangreicheren konzeptuellen Komplexen (z.B. Frames120); R steht nicht nur für Gegenstände, sondern ggf. auch für ganze Sachverhalte.

Nach gängigen linguistischen Maßstäben würde man nun auf der Grundlage von Abb. 5 zentrale Formen der Ambiguität sprachlicher Zeichen so wie in Abb. 6 modellieren, was anhand der Beispiele in (2) und (3) illustriert wird:

(2) Öffnen Sie bitte mal das Fenster da!

  • K1: FENSTER EINES HAUSES
  • K2: INTERAKTIONSFLÄCHE ZU EINEM PROGRAMM AUF EINEM COMPUTER-DESKTOP

 

(3) Die Schakale lagen schon auf der Lauer.

  • K1: WOLFSÄHNLICHES, JAGENDES RAUBTIER
  • K2: HABGIERIG-HINTERHÄLTIGER MENSCH (ALS AD HOC ERFUNDENE METAPHER)

Ein gegebener Signifikant S wie dt. Fenster (2) oder Schakal (3) erfährt eine referenzielle „Bifurkation“ (angedeutet durch die Pfeile in Abb. 6), insofern er entweder das Konzept K1 ((2) FENSTER EINES HAUSES; (3) JAGENDES RAUBTIER) oder das Konzept K2 ((2) DESKTOP-INTERAKTIONSFLÄCHE; (3) HABGIERIG-HINTERHÄLTIGER MENSCH) ausdrücken kann. R1 ist dann im aktuellen Diskurs ein Referent, der unter K1 subsumierbar ist, R2 hingegen ein Referent, der unter K2 subsumierbar ist.

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Abbildung 6: Einstufige Ambiguität

Kompatibel ist mit diesem Modell die für den begrifflichen Rahmen des vorliegenden Sammelbandes grundlegende Unterscheidung zwischen Ambiguität im System und Ambiguität im Diskurs (s.o. Abb. 1; vgl. Winter-Froemel & Zirker, in diesem Band). Entweder kann die referenzielle Bifurkation von S nach K1 vs. K2 bereits im System verankert sein (2),121 oder die Bifurkation ergibt sich erst im Diskurs (3), weil S konventionell mit K1 verbunden ist und sich K2 erst im Diskurs als Alternative zu K1 einstellt.122

Wir sprechen im Falle von Abb. 6 von ‚einstufiger‘ Ambiguität, weil S und K innerhalb ein und desselben semiotischen Systems, z.B. der menschlichen Sprache, aufeinander bezogen sind.

Damit der Schritt von K1 zu K2 getan werden kann, bedarf es einer kognitiven Plausibilität. Im Sinne der Metapherntheorie von Lakoff & Johnson (1980) kann man in unseren Beispielen ein mapping von einer konzeptuellen Domäne auf eine andere erkennen: von HAUS auf DESKTOP (2) bzw. von NAHRUNGSBESCHAFFUNG DER RAUBTIERE auf INTERAKTION DER MENSCHEN (3). Bei der Kreation der Metapher wird eine Analogie oder Similarität zwischen den betreffenden Domänen erkannt,123 so dass wir hier verkürzt von einer Relation der ‚Similarität‘ sprechen können, die in (2) und (3) zwischen K1 zu K2 anzusetzen ist (gepunktete Bogenlinie in Abb. 6). Die Ambiguität hinsichtlich des Übergangs von K1 zu K2 kann selbstverständlich auch noch auf anderen kognitiven Relationen wie der der Kontiguität, des Kontrastes oder Beziehungen der Über-, Unter- und Nebenordnung in einer Taxonomie beruhen, was hier nicht zu vertiefen ist.124

5 Der allegorische, historische, ätiologische und analoge Schriftsinn in Augustins De utilitate credendi

5.1 Die allegorische Auslegung der Heiligen Schrift

Das Problem der Ambiguität der Heiligen Schriften wird ausdrücklich erkennbar bei der vierten, der allegorischen Auslegungsweise, die von Augustin wie folgt vorgestellt wird:

(Zit. 7)

[…] secundum allegoriam [sc. traditur], cum docetur non ad litteram esse accipienda quaedam, quae scripta sunt, sed figurate intelligenda (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 5 [90,22–92,2]).

 

„Im allegorischen [sc. Sinn wird das Alte Testament vermittelt], indem man einsichtig macht, daß man einige Texte nicht buchstäblich nehmen darf, sondern bildlich verstehen muß.“

Dieser Auslegungsweise des Alten Testaments gilt das Hauptinteresse Augustins. Mit der allegorischen Schriftauslegung kann er, zumindest seinem eigenen Anspruch nach, gegen die Manichäer ausdrücklich die schon in der Produktion der Texte angelegte Ambiguität aufzeigen, die in deren Rezeption berücksichtigt werden muss, soll ihr Sprachpotential nicht verfehlt werden.31 Dass für Augustin mit der allegorischen Auslegungsweise die entscheidende Einsicht verbunden ist, wird schon daran erkennbar, dass er in diesem Zusammenhang mehrere Beispiele benennt, mit denen er wiederum belegen will, dass die Autoritäten des Neuen Testaments unter Anwendung dieser Art der Schriftinterpretation positiven Bezug auf das Alte Testament genommen haben. Die beiden einleitenden Sätze in die Erörterung der allegorischen Auslegungsweise legen zumindest die Annahme nahe, dass Augustin diesen Zugang zum Alten Testament den drei von ihm zuvor genannten Auslegungsweisen entgegenstellt (s. auch Abb. 9 in 5.5).

(Zit. 8)

Nam et historiam veteris testamenti et aetiologiam et analogiam in novo testamento inveniri satis, ut puto, est demonstratum. De allegoria restat ostendere (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [96,20–22]).

 

„Daß man im Neuen Testament Auslegungen des Alten Testaments im historischen, aitiologischen und analogen Sinn findet, ist hinlänglich gezeigt, meine ich. Für die Auslegung im allegorischen Sinn steht der Nachweis noch aus.“

In der abschließenden Zusammenfassung der allegorischen Auslegungsweise wird Augustin etwas genauer:

(Zit. 9)

[demonstratur] … figurarum tanta secreta, ut omnia, quae interpretando eruuntur, miseros esse cogant fateri, qui haec volunt ante condemnare quam discere (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 9 [104,6–8]).

 

„… man eröffnet die Geheimnisse der bildhaften Aussagen, die so tief sind, daß alles, was die Auslegung zutage gefördert hat, zu dem Bekenntnis zwingt: Man kann mit denen nur Mitleid haben, die das alles verurteilen wollen, noch bevor sie es kennenlernen.“

Das Alte Testament bietet offensichtlich auch figürliche Redeweise, die nicht einfach wörtlich zu verstehen ist. Solche Texte mit figürlicher Redeweise sind zunächst secreta, die erst erforscht werden müssen. Damit gesteht Augustin den Manichäern wohl zu, dass das Alte Testament nicht durchgängig klar und eindeutig ist, dass dort also schwer zu verstehende Textstellen zu finden sind. Es macht aber das Alte Testament nicht verdächtig, wenn es eben nicht nur historisch und damit wörtlich (ad litteram, Augustinus 1992, De utilitate credendi 5 [92,1], ‚buchstäblich‘, Augustinus 1992, 93) bzw. ad litteram, id est ad verbum (Augustinus 1992, De utilitate credendi 9 [102,13], ‚buchstäblich, das heißt wortwörtlich‘, Augustinus 1992, 103) gelesen werden soll, wenn vielmehr seine figürliche Redeweise als ebenso eigentliche Redeweise eingesehen wird. Es bedarf eines ausdrücklich interpretierenden Aktes, um diesen Sinn der alttestamentlichen Texte überhaupt zu erreichen.125 Dies verdeutlicht Augustin an drei Beispielen, an der Jona-Geschichte, am Verweis des Paulus auf die Israeliten in der Wüste und an der Gegenüberstellung von Hagar und Sara.

5.1.1 Jona und Christus

Augustin versucht, die allegorische Auslegungsweise dadurch plausibel zu machen, dass er Beispiele aus dem Neuen Testament erwähnt, in denen Jesus und der von den Manichäern ebenfalls besonders akzeptierte Paulus diese Auslegungsweise anwenden.

Augustin erinnert in seinem ersten Beispiel an die Antwort Jesu auf die Forderung der Schriftgelehrten und Pharisäer nach einem ihn bestätigenden Zeichen:

(Zit. 10)

Ipse liberator noster in evangelio allegoriam utitur ex vetere testamento:Generatio, inquit [sc. Iesus],haec signum quaerit. Non dabitur ei nisi signum Ionae prophetae. Sicut enim Ionas in ventre ceti tribus diebus et tribus noctibus fuit, sic et filius hominis tribus diebus et tribus noctibus erit in corde terrae“ (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [96,23–98,2], nach Mt 12,39–40).

 

„Unser Erlöser selbst verwendet im Evangelium eine Stelle aus dem Alten Testament im allegorischen Sinn. Er sagt: ‚Dieses Geschlecht verlangt ein Zeichen. Es wird ihm keines gegeben werden außer dem des Propheten Jona. Wie nämlich Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein‘.“

Ohne weitere Erläuterung liest Augustin die Jona-Geschichte (Jon 1–3) so, dass sie als eine Bestätigung des Geschicks Jesu mit seinem Tod und – vor allem –seiner Auferstehung verstanden werden soll. Die Jona-Geschichte wäre dann ein Hinweis auf das Geschick Jesu, der von den Schriftgelehrten und Pharisäern nur nicht als solcher erkannt würde, weil ihnen die Einsicht fehlt. Aber schon in dieser Textpassage des Alten Testaments ist mit der Jona-Geschichte nach Augustin das Geschick Jesu angedeutet. Der von den Manichäern akzeptierte Jesus legitimiert sich gegenüber seinen Gegnern mit einem Hinweis auf das Alte Testament.126 Augustin lässt hier offen, ob er mit der über den historischen Sinn hinausweisenden Auslegung die Anstößigkeit der Jona-Geschichte, dass ein Mensch im Bauch eines Fisches überleben kann, einfach nur beseitigen will. In diesem Fall würde seine allegorische Auslegung an dieser Stelle dem historischen oder wörtlichen Sinn entgegenstehen. Es wäre aber auch möglich, die Jona-Geschichte sowohl historisch wie auch als ein Geschehen der Vergangenheit zu verstehen, das zudem auch – im Sinne Augustins – allegorisch zu deuten wäre. Im zweiten Fall läge tatsächlich eine Ambiguität der alttestamentlichen Jona-Erzählung vor. Die zweite Interpretation legt sich hier deshalb nahe, weil Augustin auf ein tatsächliches Geschehen hinzuweisen scheint: Sicut enim Ionas in ventre ceti tribus diebus et tribus noctibus fuit … (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [96,25–98,1]). Dieses Geschehen der Jona-Geschichte hat also in ihrer Produktion eine mehrfache Bedeutung, – die historische, dass dieses Geschehen sich so ereignet hat, weshalb Jesus als Rezipient auch vergleichend, geradezu im Sinne einer Analogie (sicut…) auf diese hinweisen kann. Zum anderen weist die Jona-Geschichte über sich hinaus, indem sie das Geschick Jesu vorab andeutet.127 Auch dies ist in der Produktion bereits angelegt und muss von der Rezeption aufgenommen werden, soll der allegorische Sinn überhaupt wahrgenommen werden können.

In argumentativer Hinsicht ist die in Zit. 10 wiedergegebene Augustin-Stelle, die im Sinne der Textstaffelung nach Abb. 2 der Ebene A angehört, ein Teilbeitrag zur Entfaltung des Datums „Die Autoritäten des NT haben die Methode des vierfachen Schriftsinns angewandt“, womit Augustins Claim „Das Alte Testament kann nach dem vierfachen Schriftsinn ausgelegt werden“ ex auctoritate gestützt wird (vgl. 3.2 und (1)). Dabei nennt Augustin mit allegoriam utitur ganz ausdrücklich denjenigen modus des Schriftsinns, den er anschließend illustriert. Dies geschieht anhand einer direkten Rede Christi, die – mit leichten Abweichungen 128 – aus der interpretierenden NT-Textstelle Mt 12,39–40 (= Position B.1 gemäß Abb. 2) zitiert wird. Innerhalb von Christi direkter Rede wird wiederum mit dem Teilzitat Ionas in ventre ceti tribus diebus et tribus noctibus fuit auf die zu interpretierende AT-Textstelle mit der Jona-Geschichte Bezug genommen (= C nach Abb. 2), deren Kenntnis als Hintergrund vorausgesetzt wird:

(Zit. 11)

Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte (Jon 2,1).129

Die interpretierende NT-Stelle Mt 12,39–40 steht auf Ebene B in einem argumentativen Zusammenhang mit Äußerungen der Schriftgelehrten, die auf Ebene A nur in der sehr knappen Form Generatio haec signum quaerit (Zit. 10) innerhalb von Christi zitierter direkter Rede aufscheinen, im Originaltext der Ebene B aber im unmittelbar vorausgehenden Kotext dieser direkten Rede zitiert werden (= fakultative Position B.2 nach Abb. 2):

(Zit. 12)

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen (Mt 12,38).130

Gegen dieses Ansinnen setzt nun Christus ein entscheidendes Argument (Zit. 10), nämlich seinen Claim non dabitur ei [sc. signum] mit dem zugehörigen Datum nisi signum Ionae prophetae (Warrant: Was überflüssig ist, braucht man nicht).131

Die zentrale Bedeutung, die dem Terminus signum/Zeichen argumentativ bereits auf Ebene B (innerhalb der Passage der Position B.2 und dann auch B.1) zukommt, verweist eindeutig auf eine referenzielle Problemstellung (vgl. auch Anm. 33). Weiter oben wurde eine mögliche Interpretation der Jona-Geschichte im Sinne einer Ambiguität ins Auge gefasst. Wie genau ist diese Ambiguität nun semiotisch zu interpretieren?

Ganz offensichtlich ist das Modell in Abb. 6 hier unzureichend. Es geht, anders als in den Beispielen (2) und (3), nicht einfach darum, dass eine bestimmte sprachliche Zeichenkette (S) zwei unterschiedliche Sachverhaltskonzepte (K1 und K2) ausdrückt und damit auf zwei unterschiedliche Sachverhalte referiert (R1 und R2): einerseits auf die Jona-Geschichte, andererseits auf das Geschick Jesu (Zit. 10: filius hominis tribus diebus et tribus noctibus erit in corde terrae). Irritierend ist nämlich die Formulierung signum Ionae prophetae, die im Sinne einer Gleichsetzung zu verstehen ist: Der Prophet Jona bzw. die Geschichte dieses Propheten ist ein Zeichen, was Augustin auf Ebene A einfach zitierend aufgreift.

Wir haben es hier offensichtlich mit einem komplexen Fall von Semiose zu tun, wie in Abb. 7 dargestellt (vgl. auch Strauss 1959, 79, Mayer 1986–94, 235, Hoffmann 1997, 127f.).132 Zit. 11 beinhaltet zunächst einmal die Darstellung der Jona-Geschichte als solcher: Ein Signifikant S1 verweist über ein Konzept K1 auf einen Referenten R1 (S1 → K1 → R1). Die Jona-Geschichte (= R1) wird nun ihrerseits zu einem Zeichen bzw. Signifikanten höherer Stufe (S2), welcher seinerseits über ein Konzept K2 auf einen Referenten dieser höheren Ordnung (R2) verweist, nämlich auf die drei Tage, die Christus vor der Auferstehung im Grab liegt (Zit. 10: filius hominis tribus diebus et tribus noctibus erit in corde terrae). Wir können also vermuten, dass die allegorische Interpretation der Jona-Geschichte im Sinne einer gestuften Semiose zu verstehen ist, wie Abb. 7 verdeutlicht: die Semiose der Jona-Geschichte auf einfacher Stufe (S1 → K1 → R1) sowie – markiert durch Doppellinien – die Semiose höherer Stufe, in der eine außersprachliche Gegebenheit wie die Jona-Geschichte ihrerseits zum Zeichen – signum – werden kann, das auf die Christus-Geschichte zuläuft (R1 = S2 → K2 → R2).

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Abbildung 7: Zweistufige Semiose und Ambiguität beim allegorischen Schriftsinn

Hinsichtlich der Ambiguität haben wir es hier nicht, wie in Abb. 6 und in den Beispielen (2) und (3), mit einer referenziellen Bifurkation in Richtung auf zwei Konzepte gleicher Stufe, K1 und K2, zu tun, sondern mit einer Bifurkation, die beide potenziell beteiligten Stufen referenziell ins Spiel bringt: Die Jona-Geschichte lässt sich einerseits wörtlich (Zit. 7: ad litteram) und damit dann wohl auch historisch lesen; in diesem Fall „endet“ die Interpretation bei R1. Andererseits lässt sich die Geschichte jedoch auch allegorisch lesen (Zit. 7: figurate): Bei dieser Option nimmt die Interpretation von R1 aus (= S2) auf höherer Stufe einen neuen Anlauf in Richtung auf die allegorische Lesart, die zu K2 und R2 führt (die Pfeile in Abb. 7 deuten die Bifurkation an). Die Ambiguität besteht somit in der Wahl zwischen einer einstufigen Lesart und einer Lesart, die eine zweite Stufe der Semiose involviert. Daher sprechen wir hier von ‚zweistufiger‘ Ambiguität im Gegensatz zur einstufigen Ambiguität nach Abb. 6, die zwar in sprachlichen Systemen und Diskursen weit verbreitet ist, hier aber nicht in Betracht kommt.

Damit der Schritt von R1 zu R2 getan werden kann, bedarf es nun einer kognitiven Plausibilität, die im interpretierenden NT-Text (Position B.1) expliziert und so dann auch von Augustin auf Ebene A zitiert wird: Sicut enim Ionas in ventre ceti tribus diebus et tribus noctibus fuit, sic et filius hominis tribus diebus et tribus noctibus erit in corde terrae. Hier wird – aus dem Munde des interpretierenden Christus selbst – eine Analogie oder Similarität133 festgestellt. Da Sachverhalte als solche nicht miteinander vergleichbar sind, sondern nur über ihre Konzeptualisierungen, gehen wir davon aus, dass die Similarität zwischen den konzeptuellen Größen K1 und K2 anzusetzen ist (gepunktete Linie in Abb. 7).

Man könnte sich nun fragen, ob wir es hier, ebenso wie in den Beispielen (2) und (3) und in der Darstellung in Abb. 6, mit einer – auf Similarität beruhenden – Metapher zu tun haben. Der Tropus der Metapher betrifft jedoch nur Konzepte, die durch den gleichen Signifikanten ausgedrückt werden. In solchen Fällen ist, wie wir in 4.2 gesehen haben, die Abb. 6 anwendbar: S steht dort in einer Zeichenrelation einerseits zu K1, andererseits zu K2, zwischen denen – quer zur Zeichenrelation – eine kognitive Relation, wie hier die Similarität, bestehen kann (gepunktete Bogenlinie in Abb. 6). Wir hatten nun aber gesehen, dass im Fall der allegorischen Lesart der Jona-Geschichte nur Abb. 7 anwendbar ist und dass zwischen R1 (= S2) und R2 eine Zeichenrelation vorliegt, für die S1 irrelevant ist. Entsprechend verläuft die Similarität zwischen K1 und K2 hier parallel zur Zeichenrelation (gepunktete Bogenlinie in Abb. 7). Eine auf Similarität gegründete Zeichenrelation ist das Charakteristikum der Klasse der sogenannten ‚ikonischen‘ Zeichen (Peirce 1960, 211, Ungerer 2002, Koch 2007, 24–28). Als Merkmale der Allegorie schälen sich also im Falle der Jona-Geschichte die semiotische Zweistufigkeit und die Ikonizität des höherstufigen Zeichens in seiner Zeichenrelation heraus. Es bleibt abzuwarten, ob dies verallgemeinerbar ist.

5.1.2 Israel in der Wüste und die christliche Gemeinde

Mit seinem zweiten Beispiel erinnert Augustin an den Apostel Paulus, der in seinem ersten Brief an die Korinther die durch die Wüste ziehenden Israelitinnen und Israeliten als figurae (griechisch: τύποι)134 für die Christinnen und Christen bezeichnet.135 Die Israelitinnen und Israeliten der Exodusgeneration werden der christlichen Gemeinde in Korinth von Paulus als warnende Beispiele mit dem Zweck vorgeführt, dass alle an Christus Glaubenden nicht das Böse begehrten (… ut non simus cupidi malorum, sicut et illi concupierunt, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,13f.]), dass sie die Götzen nicht verehren sollten (Neque idola colamus sicut quidam ex illis…, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,14f.]) und dass sie sich nicht sexuellen Verfehlungen hingeben sollten (Neque fornicemur, sicut quidam ex illis fornicati sunt…, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,16f.]). Solches Verhalten würde die Christinnen und Christen ebenso ins Verderben führen wie das durch die Wüste ziehende Volk Israel. Außerdem sollten sie Christus nicht versuchen, wie das in der Wüstengeneration geschehen sei, was zur Tötung der Israelitinnen und Israeliten durch die Schlangen geführt habe (Neque tentemus Christum, sicut quidam eorum tentaverunt et a serpentibus interierunt, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,18f.]). Und zuletzt fordert Paulus, dass Christinnen und Christen nicht murren sollten, wie das von den Israelitinnen und Israeliten in der Wüste erzählt wird, die daraufhin durch den Verderber umkamen (Neque murmuremus, sicut quidam ex illis murmuraverunt et perierunt ab exterminatore, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,19–21]).

Augustin zitiert an dieser Stelle den Apostel Paulus (1Kor 1,1–11), ohne das Beispiel genauer zu erläutern. Er setzt damit voraus, dass die allegorische Auslegungsweise des Paulus offensichtlich sei. Allerdings interpretiert Paulus hier zunächst nicht einfach die alttestamentliche Exodusgeschichte, er beleuchtet vielmehr mit dieser die Gegenwart der christlichen Gemeinde in Korinth. Paulus bietet eher eine Typologie, die ähnlich verfährt wie die analoge Auslegungsweise (vgl. dazu Lausberg 2008, §991). Die Exodusgeneration Israels gilt als warnendes Beispiel für die christliche Gemeinde in Korinth. Sollten sich die Christinnen und Christen in Korinth ebenso fehlerhaft verhalten wie die Israelitinnen und Israeliten der Exodusgeneration, dann würden sie genauso ihrem Verderben entgegengehen.

Allerdings setzt die typologische Deutung der Exodusgeschichte in 1Kor 10 tatsächlich eine allegorische Interpretation dieses Geschehens voraus. In 1Kor 10,1–5 erzählt Paulus die Geschichte in den für ihn wesentlichen Aspekten nach.

(Zit. 13)

[…] patres nostri omnes sub nube fuerunt et omnes per mare transierunt et omnes in Moysen baptizati sunt in nube et mari. Et omnes eundem cibum spiritalem manducaverunt, et omnes eundem potum spiritalem biberunt. Bibebant enim de spiritali petra prosequenti eos, petra autem fuit Christus. Sed non in pluribus eorum bene conplacuit deo. Prostrati enim sunt in deserto. Haec autem figurae nostrae fuerunt, ut non simus cupidi malorum, sicut et illi concupierunt. Neque idola colamus sicut quidam ex illis […] Neque fornicemur, sicut, quidam ex illis fornicati sunt […] Neque tentemus Christum, sicut quidam eorum tentaverunt et a serpentibus interierunt. Neque murmuremus, sicut quidam ex illis murmuraverunt et perierunt ab exterminatore. Omnia autem ista in figura contingebant illis, scripta autem sunt ad correptionem nostram, in quos finis saeculorum devenit (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,6–23], unsere Hervorhebungen recte).

 

„[…] daß unsere Väter alle unter der Wolke waren, daß sie alle durch das Meer wanderten und alle in der Wolke und im Meer auf Mose getauft wurden; und alle aßen dieselbe geistige Speise, und alle tranken denselben geistigen Trank. Sie tranken nämlich vom geistigen Felsen, der ihnen folgte, und dieser Felsen war Christus. Doch an der Mehrzahl von ihnen fand Gott keinen Gefallen; denn sie kamen in der Wüste um. All dies aber waren Sinnbilder für uns, damit wir nicht nach dem Bösen gierig sind, so wie auch sie es begehrten. Und damit wir nicht Götzenbilder verehren wie einige von ihnen […] Und damit wir nicht Unzucht treiben, so wie einige von ihnen Unzucht trieben […] Und damit wir nicht Christus versuchen, so wie einige von ihnen ihn versuchten und durch die Schlangen umkamen. Und damit wir nicht murren, so wie einige von ihnen murrten und durch den Verderber starben. All dies geschah ihnen als ein Sinnbild, aufgeschrieben aber ist es zur Warnung für uns, auf die das Ende der Zeiten zugekommen ist“ (1Kor 10,1–11, unsere Hervorhebungen kursiv).

Die allegorische Auslegung der Exodusgeschichte durch Paulus ist offensichtlich. Genauer formuliert, setzt Paulus – und mit ihm Augustin – eine allegorische Auslegung voraus, die immerhin angedeutet wird. Im Hintergrund dieser Auslegung stehen die Motive des christlichen Herrenmahls und der christlichen Taufe. Wie Taufe und Herrenmahl dienen der „Durchzug durch das Schilfmeer und [die] Versorgung in der Wüste als Bestätigungen der Heilszuwendung Gottes“.136 Der Durchzug durch das Meer stünde für das Umfasstwerden vom Wasser in der Taufe, die geistliche Speise und der geistliche Trank in der Wüste entsprächen dem Herrenmahl. Der entscheidende Hinweis auf die allegorische Auslegung ist in der Erzählung daran zu erkennen, dass das Volk Israel von einem Felsen begleitet worden sei, und dieser Fels sei Christus.137 Wenn die Israelitinnen und Israeliten in der Wüste vom Felsen, der als Christus gedeutet wird, getränkt werden, dann wäre das Wasser, das sie dort erhalten, als der Trank im Herrenmahl gedeutet. Vorausgesetzt ist natürlich die Vorstellung, dass Christus als der Präexistente das Volk Israel in der Wüste überhaupt begleiten konnte. – Der Fels ist also nicht einfach ein Fels, dieser muss vielmehr als Christus gedeutet werden; das Wasser ist nicht nur ein die physische Subsistenz sicherndes Element. Beide Motive machen deutlich, dass sich die Gesamterzählung vom Exodus nicht in sich selbst, also nicht in ihrem wörtlichen Sinn erschöpft, dass sie vielmehr auf das Christusgeschehen hin interpretiert werden muss. Genau darin liegt die Ambiguität der Exodusgeschichte. Sie erzählt wohl ein historisches Geschehen, das sich einmal ereignet hat, es ist aber offen für eine Deutung auf die christliche Gemeinde und auf den Christus, auf welchen die Gemeinde existentiell bezogen ist. Die Exoduserzählung meint bereits das Verhältnis Christi zu seiner Gemeinde. Die Mehrdeutigkeit liegt also in der Exoduserzählung selbst.

Im Sinne von Abb. 2 entspricht die Augustin-Stelle (Zit. 13) der Ebene A. Augustin zitiert dabei ausführlich aus einer lateinischen Version von Paulus’ erstem Brief an die Korinther (1Kor 10,1–11 = Position B.1). Wenn die Israelit(inn)en und verschiedene Ereignisse ihrer Exodusgeschichte (die Episoden Ex 14, Ex 16 und Ex 17 = Ebene C im Sinne von Abb. 2) von Augustin wie auch von Paulus als Allegorie für die christliche Gemeinde und das, was ihr widerfahren könnte, gesehen werden, dann können wir hier, gemäß Abb. 7, R1 = S2 = Israelit(inn)en und R2 = christliche Gemeinde setzen, wobei sich R1 und R2 in zahlreiche kleine Teilelemente (Sachverhalte und Gegenstände aus dem Exodus bzw. der Gegenwart der christlichen Gemeinde) auffächern lassen. Paulus selbst verdeutlicht (innerhalb der Textstelle der Position B.1) die semiotische Zweistufigkeit durch die übergreifenden Erläuterungen (haec… bzw. omnia ista…) anhand des Ausdrucks figura (in Zit. 13). Augustin seinerseits erklärt dies auf der Ebene A mit Hilfe des Terminus allegoria. Damit ist beispielsweise sowohl für Paulus als auch für Augustin klar, wie die – per se eine Ambiguität generierende – Konstruktion X est Y in Anwendung auf das Detail des Felsens (petra) zu verstehen ist, der das Volk Israel begleitet: Der Fels ist ein Zeichen zweiter Stufe für Christus (Zit. 13: petra autem fuit Christus).

Damit der Schritt von (den Teilelementen von) R1 zu (den korrespondierenden Teilelementen von) R2 getan werden kann, bedarf es auch in diesem Fall einer kognitiven Plausibilität, die über die entsprechenden Konzeptualisierungen K1 und K2 bzw. ihre Teilelemente läuft (gepunktete Bogenlinie in Abb. 7). Dass es sich auch hier wieder um eine Relation der Similarität handelt, wird durch das obstinate sicut deutlich, das zumindest bei vier der Teilelemente explizit erscheint (Zit. 13; in anderen Fällen setzt, wie weiter oben bereits erläutert, das Erkennen der Similarität zusätzliches Hintergrundwissen voraus: Durchzug durch das Meer ~ Umfasstwerden vom Wasser in der Taufe; geistliche Speise/geistlicher Trank in der Wüste ~ Herrenmahl). Da auch hier die Similarität zwischen K1 und K2 parallel zur Zeichenrelation verläuft (gepunktete Bogenlinie in Abb. 7), haben wir es, wie schon in der Jona-Geschichte, mit ikonischen Zeichen zweiter Stufe zu tun, die im vorliegenden Fall allerdings ein wesentlich komplexeres Ensemble darstellen.

Wie schon angedeutet, liegt auch hier wieder die in Abb. 7 durch die Pfeile dargestellte Bifurkation und damit eine Ambiguität bezüglich der semiotischen Stufigkeit vor: Man kann die Exodusgeschichte als historisches Geschehen auffassen; dann endet die Interpretation bei R1/K1. Man kann die Geschichte jedoch auch allegorisch lesen und von R1 aus (= S2) auf höherer Stufe einen neuen Anlauf in Richtung R2/K2 nehmen.

5.1.3 Hagar und Sara für die Juden und die Christen

Das dritte Beispiel für eine allegorische Auslegung entnimmt Augustin dem Brief des Apostels Paulus an die Galater (Gal 4,21–30). Wieder zitiert Augustin schlicht die Passage aus dem Paulusbrief (Gal 4,22–26), ohne diesen im Einzelnen zu kommentieren. Paulus erinnert hier an Abraham, seine beiden Frauen Hagar und Sara sowie deren Söhne Ismael und Isaak, wobei die Namen der Söhne nicht genannt werden. In dem von Augustin zitierten Abschnitt wird Hagar mit ihrem Sohn der Sara mit ihrem Sohn gegenübergestellt. Beide werden zudem mit einer Lokalität verbunden – Hagar und ihr Sohn werden dem Berg Sinai zugeordnet, der als das gegenwärtige, also als das irdische Jerusalem gedeutet wird, Sara und ihr Sohn werden mit dem himmlischen Jerusalem verbunden. Von Hagar wird gesagt, sie sei eine Sklavin und ihr Sohn sei nach dem Fleisch geboren worden, Sara aber sei die Freie, deren Sohn aufgrund der Verheißung geboren worden sei. Paulus spielt damit auf Gen 18,9–15 an, wo erzählt wird, dass der hochbetagten Sara gegen jede menschliche Erwartung die Geburt eines Sohnes verheißen wurde. Die Textstelle bei Paulus bietet einige exegetische Schwierigkeiten, die hier nicht diskutiert werden können. Entscheidend für die hier zu erörternde Frage ist die Gegenüberstellung von Hagar als der Sklavin mit ihrem Sohn, die für das Irdische, das Vergängliche, steht, und Sara, welche die im Christusglauben zugängliche Freiheit symbolisiert. Die für die Interpretationsanweisung wichtigen Sätze lauten:

(Zit. 14)

Est item apud apostolum allegoria quaedam sane ad causam maxime pertinens […]. Scriptum est enim, quod Abraham duos filios habuit, unum de ancilla et unum de libera. Sed is quidem, qui de ancilla, secundum carnem natus est, qui autem de libera, promissionem. Quae sunt per allegoriam dicta. Nam haec sunt duo testamenta: unum quidem de monte Sina in servitutem generans, quod est Agar. Sina enim mons est in Arabia, quae confinis est ei, quae nunc est Hierusalem, et servit cum filiis suis. Quae autem sursum est Hierusalem, libera est, quae est mater omnium nostrum (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 8 [98,24–25 und 98,27–100,9]).

 

„Ebenso gibt es beim Apostel eine allegorische Auslegung, die wohl ganz besonders mit unserem Fall in Zusammenhang steht […]. Es steht nämlich geschrieben, daß Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Sklavin und einen von der Freien. Der jedoch, der von der Sklavin war, wurde dem Fleisch nach geboren, der von der Freien aber gemäß der Verheißung – das ist allegorisch gesprochen. Denn diese (beiden Frauen) sind die beiden Testamente: das eine vom Berg Sinai, das in die Sklaverei hineingebiert – das ist Hagar. Der Berg Sinai nämlich liegt in Arabien, das unmittelbar an das heutige Jerusalem angrenzt, und es leistet mit seinen Nachkommen Sklavendienst. Das Jerusalem aber, das oben ist, ist eine Freie, und dies ist unser aller Mutter.“

Das Stichwort ‚Allegorie‘ taucht in diesem Fall nicht erst auf Ebene A auf (erster Satz des obigen Zitats), sondern schon in Paulus’ interpretierendem NT-Text (Gal 4,22–26 = Position B.1 nach Abb. 2), und zwar sowohl im griechischen Original (Vers 24: e9783110403435_i0042.jpg…) als auch in der von Augustin zitierten lateinischen Übersetzung (Zit. 14: […] Quae sunt per allegoriam dicta). Die allegorische Redeweise wird hier also bereits von Paulus selbst ausdrücklich ins Spiel gebracht. Mit den beiden testamenta sind in diesem Kontext das Gesetz im Sinne der Tora und die in Christus laut werdende Verheißung gemeint, die einander gegenübergestellt werden. Etwas verkürzt gesagt, stellt Paulus das Judentum seiner Zeit (Hagar, nach dem Fleisch, Unfreiheit, irdisches Jerusalem, Gesetz, das eine testamentum), dem Christentum (Sara, Verheißung, Freiheit, himmlisches Jerusalem, das andere testamentum) gegenüber. Paulus führt die allegorische Auslegung weiter, die Augustin allerdings nicht mehr zitiert. Paulus kommt letztlich zu dem Schluss διό, ἀδελφοί, οὐκ ἐσμὲν e9783110403435_i0043.jpg [‚So sind wir nun, liebe Brüder, nicht Kinder der Magd, sondern der Freien‘]138 (Gal 4,31), wobei er mit der 1. Person Plural die an Christus Glaubenden meint im Unterschied zu den Juden.

Dass Hagar und Sara für die beiden Testamente oder Bundesschlüsse Gottes mit den Menschen stehen, ist auch einschließlich der gedeuteten Einzelzüge eine klare allegorische Auslegung. Die alttestamentlichen Texte gewinnen durch die Auslegung eine soteriologische Tiefendimension, die in diesen Texten selbst noch nicht angelegt ist, wenn man sie vom Neuen Testament isoliert liest. Den alttestamentlichen Texten kann dieses Sinnpotential nur zugesprochen werden, wenn ihre Ambiguität im Sinne einer Mehrdeutigkeit vom Interpreten vorausgesetzt wird. Die Ambiguität wird in gewisser Weise durch die Interpretation den Texten verschafft. Das gilt schon für die Ebene des Paulus, der die alttestamentlichen Texte hier allegorisch auslegt. Die von Paulus unterstellte allegorische Dimension hatten – aus heutiger Sicht der historischen Forschung – diese Texte auf der Ebene der Produktion sicher nicht, dies müsste zumindest ausdrücklich gezeigt werden. Wenn sich Augustin über den Paulusbrief auf das Alte Testament bezieht, dann liegt für ihn tatsächlich bereits, über die Autorität des Paulus gelesen, ein ambiger alttestamentlicher Text vor, wodurch neben der historischen eine allegorische Auslegung gerechtfertigt und geradezu erforderlich erscheint.139

Für Augustin schafft die allegorische Schriftauslegung, gerade in der Auseinandersetzung mit den Manichäern, die entscheidende Perspektive auf die Texte des Alten Testaments (vgl. Hoffmann 1997, 130f.) Den tieferen Sinn der alttestamentlichen Texte, der den historischen Sinn übersteigt, sieht Augustin wiederum durch ein Pauluswort begründet, das er in 2Kor 3,6 findet: Littera occidit, spiritus autem vivificat (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 9 [102,14f.], ‚Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig‘). Der Geist erschließt erst den Sinn der Mehrdeutigkeit des Alten Testaments, der noch durch eine Decke verborgen ist. Diese Decke wird erst durch Christus entfernt, so dass nur durch den Christusglauben die den historischen Sinn transzendierende Dimension der alttestamentlichen Texte erkennbar wird. Der Geist oder auch Christus sind von Augustin als die Subjekte gedacht, die den Zugang zum tieferen, dem allegorischen Sinn erst verschaffen. Eine Auflösung der Ambiguität solcher alttestamentlicher Schriften ist deshalb nur im Christusglauben möglich. Die katholische Kirche bewahrt diese hochstehenden und nützlichen Schriften unter dem Namen „Altes Testament“ (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 13 [112,12–24]). Dies bleibt den Manichäern verschlossen, die sich auf eine historische Auslegung des Alten Testaments beschränken, weshalb sie dieses in weiten Teilen aufgrund der dort zu findenden Ambiguitäten oder gar Widersprüche verwerfen müssen.

Eine Besonderheit liegt bei der Geschichte von Hagar und Sara zunächst insofern vor, als ein interner Kontrast aufgebaut wird zwischen Hagar (= R1a) und Sara (= R1b). Ansonsten haben wir es auch hier mit einer semiotischen Zweistufigkeit zu tun, da – verkürzt – Hagar als S2a ihrerseits auf das Alte Testament (= R2a) und Sara als S2b auf das Neue Testament (= R2b) verweist, was wiederum mit Hilfe der uns bereits aus 5.1.2 bekannten Konstruktion X est Y ausgedrückt wird: haec sunt…; quod est… (Zit. 14).

Wie sieht es aber nun mit der kognitiven Plausibilität auf der Ebene der entsprechenden Konzeptualisierungen K1a/K1b und K2a/K2b aus?

Anders als in 5.1.1 und 5.1.2 kommen wir hier mit dem Prinzip der Similarität nicht zum Ziel (und interessanterweise erscheint auch nirgendwo im Text das dafür typische Signalwort sicut). Stattdessen werden, kontrastiv jeweils für Hagar (Abb. 8 links) und Sara (Abb. 8 rechts), umfangreiche konzeptuelle Frames (KF) aufgebaut (vgl. zur Frame-Semantik schon Anm. 26):

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Abbildung 8: Hagar-Frame (links); Sara-Frame (rechts)

Nachdem zwischen Elementen konzeptueller Frames die Relation der ‚Kontiguität‘ besteht, gelangen wir von Hagar zum Alten Testament (KFa) bzw. von Sara zum Neuen Testament (KFb) über ein verzweigtes Netz von Kontiguitäten, das in der vorliegenden Textstelle noch zusätzlich angereichert wird (mit gewissen, marginalen Asymmetrien zwischen KFa und KFb). Die zweistufige Zeichenhaftigkeit der Referenten Hagar (R1a = S2a) bzw. Sara (R1b = S2b) führt also in kognitiver Hinsicht nicht über Relationen der Similarität, sondern über solche der Kontiguität zum Alten Testament (= R2a) bzw. zum Neuen Testament (= R2b). Wir haben es demnach, anders als in 5.1.1 und 5.1.2, nicht mit ikonischen Zeichen zu tun, sondern mit Zeichen, bei denen die Zeichenrelation auf im Weltwissen der Benutzer verankerten Kontiguitäten beruht: mit ‚indexikalischen‘ Zeichen (Peirce 1960, 211, Ungerer 2002, Koch 2007, 24–28).

In der Regel stellt man sich unter ‚indexikalischen‘ Zeichen solche vor, bei denen eine unmittelbare Kontiguität zwischen S und K bzw. R besteht, z.B. – in der Klasse der nonverbalen Zeichen – zwischen RAUCH und FEUER. Jedoch gibt es auch in diesem Bereich verwickeltere Kontiguitätenketten, wie sich z.B. teilweise bei der ärztlichen Diagnostik zeigt. Insofern spricht im vorliegenden Fall nichts dagegen, eine Indexikalität der Zeichen zweiter Stufe anzusetzen.

Unbeschadet der Kontiguitätsproblematik, treffen wir auch in diesem Fall, wie schon angedeutet, die uns bereits aus 5.1.1 und 5.1.2 bekannte Form der Ambiguität an, die in Abb. 7 durch die Pfeile dargestellt ist: Es ergibt sich eine Bifurkation zwischen der Auffassung der Hagar-/Sara-Geschichte als eines historischen Geschehens (mit Ende der Interpretation bei R1a/K1a bzw. R1b/K1b) und ihrer allegorischen Lesart mit Neueinsatz von R1a = S2a bzw. R1b = S2b aus.

5.1.4 Konklusion zum allegorischen Schriftsinn: „Das Ziel ist der Weg“

Aufbauend auf Augustins Exemplifizierung in De utilitate credendi können wir festhalten: Der allegorische Schriftsinn ist durch eine semiotische Zweistufigkeit charakterisiert, bei der außersprachliche Referenten alttestamentlicher Textstellen (R1 auf Ebene C) ihrerseits zu Signifikanten höherer Ordnung (S2) werden, denen auf der höheren Stufe wiederum Referenten aus dem Kontext des Neuen Testaments und des Christusglaubens (R2) zukommen. Die Ambiguität der alttestamentlichen Stellen besteht darin, dass diese – entsprechend Abb. 7 – entweder im rein historischen Sinne (S1 → R1) oder im allegorischen Sinne (S1 → R1 = S2 → R2) gelesen werden können. Was die Konzeptualisierungen K1 und K2 betrifft, die die Zeichenrelation höherer Stufe ermöglichen, so haben wir es entweder mit Ikonizität (5.1.1 und 5.1.2) oder mit Indexikalität (5.1.3) zu tun.

Die Tatsache, dass die kognitive Ausgestaltung der höherstufigen Zeichenrelation offenbar zwischen Similarität/Ikonizität und Kontiguität/Indexikalität variieren kann, verweist uns auf eine spezielle Perspektivierung, die typisch für die Praxis der Exegese nach dem mehrfachen Schriftsinn zu sein scheint, zunächst einmal in Augustins De utilitate credendi, aber – dies wäre in weiteren Arbeiten zu prüfen – möglicherweise auch darüber hinaus und auch bei anderen Autoren. Bestimmende Größe ist im Rahmen einer Heilsperspektive der semiotische Zielpunkt R2, nämlich das Christusgeschehen und das Neue Testament. Der „kognitive Weg“ vom Alten Testament dorthin, also von K1/R1 = S2 zu K2/R2, ist dem untergeordnet. Er muss zwar in irgendeiner Weise plausibel sein, ob er aber im Einzelnen nach dem Prinzip der Similarität/Ikonizität oder nach demjenigen der Kontiguität/Indexikalität ausgestaltet ist, bleibt eine sekundäre Frage.

Insofern kann man sagen, dass bei der Allegorie nach diesem Verständnis das Ziel (Christus/Neues Testament) bereits den Weg (Ikonizität oder Indexikalität) vorgibt – zugespitzt: Das Ziel ist der Weg.

5.2 Die historische Auslegung der Heiligen Schrift

Das historische Verfahren bestimmt Augustin wie folgt:

(Zit. 15)

Secundum historiam ergo traditur, cum docetur, quid scriptum aut quid gestum sit, quid non gestum, sed tantummodo scriptum quasi gestum sit […] (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 5 [90,17–19]).

 

„Also mit der Auslegung im historischen Sinn wird das Alte Testament vermittelt, indem man darlegt, was geschrieben wurde oder was geschah und was nicht geschah, sondern nur so geschrieben wurde, als wäre es geschehen […].“

Der historische Sinn der Schrift140 beschreibt also, was geschehen ist oder was so dargestellt wird, als sei es geschehen. Zur Legitimation dieses Verfahrens erinnert Augustin an Jesus, der nach Mt 12,3–4 seine Jünger verteidigt, die am Sabbat Ähren ausgerissen haben, um damit ihren Hunger zu stillen, womit sie taten, was am Sabbat nicht erlaubt war. Jesus verweist auf die Erzählung von David im Alten Testament, der ebenfalls aus Hunger mit seinen Begleitern vom Priester Ahimelech heilige Schaubrote zu essen bekam, die eigentlich nicht verzehrt werden durften (1Sam 21,1–7).

Jesus verweist mit seiner historischen Auslegung schlicht auf ein Geschehen in der Vergangenheit, das ihm zur Legitimation des Handelns seiner Jünger dient. Weil dieser das Gesetz brechende Vorgang nach dem alttestamentlichen Bericht zur Stillung des Hungers erlaubt war, dürfen seine Jünger ebenfalls das eigentlich geltende Sabbatgebot überschreiten, um sich zu sättigen. Die methodische Pointe ist hier, dass Jesus auf ein im Alten Testament berichtetes tatsächliches Geschehen verweisen kann. Das Alte Testament kann also in einem literalen Sinn auf das dort erzählte Geschehen hin befragt werden.

Es ist allerdings zu beachten, dass Augustin bereits in der Kurzbeschreibung des historischen Verfahrens nicht nur darauf verweist, dass dieses das tatsächliche Geschehen ermitteln könne. Diese Auslegungsweise erlaubt vielmehr, zwischen tatsächlichem Geschehen und solchem, das nur als tatsächliches Geschehen erzählt wird, dies aber gar nicht ist, zu unterscheiden. Gegen die Manichäer kann er bereits mit der historischen Auslegungsweise solche Texte identifizieren, die einen historischen Sinn gar nicht haben, sondern anders ausgelegt werden müssen.141 Die historische Auslegung nach Augustin ist demnach nicht identisch mit der historischen Auslegung der Manichäer, die das Alte Testament ausschließlich historisch auslegen wollen.142 Bereits die historische Auslegungsweise weist über den historischen Sinn hinaus.

Die Textstaffelung der hier relevanten Passage von De utilitate credendi wurde bereits in 3.1 gemäß Abb. 2 eingehend analysiert. Wir haben zunächst als AT-Stelle auf der Ebene C die Passage 1Sam 21,3–7 (= Zit. 3). In argumentativer Hinsicht fungiert ihr Inhalt in Mt 12,3–4 (= Position B.1) als Datum („David hat zur Stillung des Hungers das Sabbatgebot überschritten“) zu einem implizit bleibenden Claim („Meine Jünger dürfen zur Stillung des Hungers das Sabbatgebot überschreiten“), der dem in Mt 12,1–2 (= Zit. 2 = Position B.2) wiedergegebenen Einwand der Pharisäer entgegentritt. Der ebenfalls implizit bleibende Warrant („Was eine Autorität des Alten Testaments getan hat, ist legitim für meine Jünger“) entspricht – jetzt allerdings auf der Ebene B – dem uns schon aus 3.2 bekannten argumentum ex auctoritate bzw. ad verecundiam. Schon dieser argumentative Zusammenhang erhellt, dass die AT-Stelle gerade deshalb herangezogen wird, weil sie ein historisches Geschehen berichtet, auf das man sich als Datum beziehen kann. Eine Ambiguität ist hier nicht erkennbar bzw. wäre argumentativ sogar fatal. In referenzieller Hinsicht liegt hier also, soweit erkennbar, der denkbar einfachste Fall vor (vgl. Abb. 5): Die Textpassage 1Sam 21,3–7 (= S) referiert über eine bestimmte Konzeptualisierung (K) auf einen Sachverhalt (R).

Wir sehen also, was die Interpretation, das tradere, im historischen Sinne in diesem Fall beinhaltet: Die AT-Stelle wird in eine Argumentation eingebunhen den, die aber gerade auf der referenziellen Problemlosigkeit der Passage fußt. Beim allegorischen Sinn in 5.1 hatten wir es zwar selbstverständlich auch mit Argumentationsvollzügen zu tun, aber hier war allein schon durch das Stichwort signum oder figura in den entsprechenden NT-Stellen die referenzielle Problematik angesprochen. Dieses referenzielle Surplus ist bei obigem Beispiel für den historischen Schriftsinn nicht erkennbar.

Irritierend bleibt vorerst die bereits vermerkte Tatsache, dass Augustin innerhalb des historischen Schriftsinns mit dem non gestum, sed tantummodo scriptum quasi gestum sit (Zit. 15) über die völlig problemlosen referenziellen Verhältnisse hinausweist (dazu noch Abschnitt 6).

5.3 Die ätiologische Auslegung der Heiligen Schrift

Die kurze Bestimmung des ätiologischen Auslegungsverfahrens lautet:

(Zit. 16)

[…] secundum aetiologiam [traditur], cum ostenditur, quid qua de causa vel factum vel dictum sit … (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 5 [90,19–21]).

 

„[…] mit der Auslegung im aitiologischen Sinn [sc. wird vermittelt], indem man die Gründe aufzeigt, warum etwas geschah oder gesagt wurde.“

Als zugehöriges Beispiel für die ätiologische Auslegung des Alten Testaments durch Jesus erinnert Augustin an Jesu Verbot der Ehescheidung, das der im Alten Testament notierten Erlaubnis der Ehescheidung durch Mose zu widersprechen scheint.

(Zit. 17)

[…] cum Christus prohibuisset uxorem abici nisi fornicationis causa relatumque esset ab interrogantibus Moysen libello dato repudii permisisse licentiam: „Hoc“, inquit, „Moyses fecit propter duritiam cordis vestri.“ Hic enim causa reddita est, cur illud a Moyse pro tempore bene permissum sit, ut hoc, quod Christus praecipiebat, alia iam tempora demonstrare videretur (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 6 [92,11–18]).

 

„[…] als Christus verboten hatte, die Ehefrau zu verstoßen, außer wegen Unzucht, und ihm daraufhin von den Fragenden entgegengehalten wurde, Mose habe das erlaubt, wenn zuvor ein Scheidebrief ausgestellt worden sei, sagte er: ‚Mose tat das wegen der Härte eures Herzens‘ (Mt 19,8). Denn hier ist der Grund dafür angegeben, warum Mose zu seiner Zeit recht daran tat, das zu erlauben. So schien Christi Gebot anzuzeigen, daß bereits eine neue Epoche angebrochen war.“

In der Sache müsste man – oberflächlich betrachtet – hinsichtlich der Frage nach der Erlaubnis der Ehescheidung eine ethische Differenz zwischen dem Alten und dem Neuen Testament feststellen. Jesus verbietet nach Mt 19,3–9 die Ehescheidung 143, abgesehen von einer Entlassung einer Frau aufgrund eines sexuellen Fehlverhaltens, während Mose im Alten Testament nach Dtn 24,1–4 offensichtlich eine Ehescheidung erlaubt. Für die Manichäer ergäbe sich schon auf Grund dieser Feststellung ein Widerspruch zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Augustin scheint hier zu unterstellen, dass die Manichäer auf Grund dieses Widerspruchs das ethisch strengere Gebot Jesu gegen die Erlaubnis des Mose ausspielen und so die alttestamentliche Stellungnahme verabschieden würden. Das Gebot Jesu stünde also gegen das Gebot des Mose. So ergäbe sich ein Widerspruch in der biblischen Überlieferung. Tatsächlich können mittels der historischen Methode die unterschiedlichen Stellungnahmen von Mose und Jesus zur Frage nach der Ehescheidung festgestellt werden. Hinsichtlich des mit der Schriftauslegung angestrebten Orientierungs- und Handlungswissens stellt sich bei der Rezeption eine Unklarheit, sogar eine Widersprüchlichkeit ein, die aufgelöst werden muss.

Obwohl Mose und Jesus voneinander abweichende Gebote zur Ehescheidung aussprechen, treten nach Augustin das Alte und das Neue Testament nicht in einen Antagonismus, der im Sinne der Manichäer zu einer negativen Bewertung des Alten Testaments führen müsste.144 Dies kann nach Augustin mit Hilfe der ätiologischen Auslegungsweise festgestellt werden. Jesus muss der durch Mose gegebenen Erlaubnis der Ehescheidung nicht widersprechen, weil für diese Erlaubnis im Alten Testament ein Grund (causa) angegeben wird, der – so unterstellt Augustin offensichtlich – in seiner, also Jesu Gegenwart nicht mehr in Geltung ist. Dieser Grund für die Erlaubnis der Ehescheidung durch Mose ist die duritia cordis der Israeliten, ihre Unfähigkeit, dem Willen des Schöpfers in der Ehefrage vollkommen zu entsprechen (Mt 19,8). Die Begründung für die Erlaubnis der Ehescheidung durch Mose entfällt nach Augustin mit dem Auftreten Jesu. Er stellt schlicht fest: Mit Jesus beginnt eine neue Epoche, die durch die divina providentia [‚göttliche Vorsehung‘] festgesetzt wurde (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 6 [92,19]). Bedauerlicherweise erläutert er diesen Gedanken hier nicht genauer, da ihm der Nachweis der neuen Epoche durch das Auftreten Jesu an dieser Stelle nicht wichtig ist oder weil er diesen Sachverhalt als selbstverständlich annimmt. In der ethischen Sachfrage vertritt Augustin die Meinung, dass die Bewertung sittlichen Verhaltens immer an eine bestimmte Zeit gebunden ist.145 Die Epoche des Mose ist in dieser Frage von der mit Jesus beginnenden Zeit zu unterscheiden. Für Augustin ist hier nur entscheidend, dass mit der ätiologischen Auslegung nachgewiesen werden kann, dass das Alte Testament nicht einfach in einem Widerspruch zum Neuen Testament steht und deshalb auch nicht verabschiedet werden muss. Mit Blick auf die Gesamtheit des Alten und des Neuen Testaments wird mit der Zuordnung der Ehescheidungserlaubnis durch Mose zu einer vergangenen Epoche der Sinn der biblischen Stellungnahmen in dieser Frage insofern eindeutig gemacht, als ihre jeweilige Epochenzuordnung geklärt wird. Das geschieht über die Angabe des zeitlich limitierten Grundes für die Erlaubnis der Ehescheidung.

Die ätiologische Auslegungsweise ist eigentlich nichts anderes als eine historische Lektüre der biblischen Texte mit ausdrücklichem Blick auf die Begründungszusammenhänge des geschilderten Geschehens, um diese wie in dem besprochenen Fall zu kontextualisieren und scheinbare Widersprüchlichkeiten zu beseitigen. Da es bei dem erörterten Beispiel um konkrete Handlungsfragen geht, die mit Bewertungen verbunden sind, drängt es den Ausleger offensichtlich zu einer Vereindeutigung der sich widersprechenden biblischen Forderungen unter Wahrung ihrer Dignität. Die Auflösung der Widersprüchlichkeiten geschieht hier im Rahmen der Rezeption eines biblischen Textes mit strategischer Absicht durch eine möglichst klare Kontextualisierung.

Als Vorlage zur Exemplifizierung des ätiologischen Schriftsinns dient Augustin Mt 19,6–9 (= Zit. 18). Als NT-Kotext-Stelle (Position B.2 = Zit. 18, Verse 6–7) fungiert ein Einwurf der Pharisäer, die einen Widerspruch erblicken zwischen Jesu Verbot der Ehescheidung und einer Erlaubnis der Ehescheidung durch Mose, womit sie auf die zu interpretierende AT-Stelle Dtn 24,1 (Ebene C = Zit. 19) Bezug nehmen. All dies wird in knapper Form auf der Ebene A von Augustin paraphrasiert (Zit. 17).

(Zit. 18)

[Jesus:] 6[…] Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. 7Da fragten sie [sc. die Pharisäer]: Warum hat dann Mose geboten, ihr einen Scheidebrief zu geben und sich von ihr zu scheiden? 8Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist’s nicht so gewesen. 9Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe (Mt 19,6–9).146

(Zit. 19)

Wenn jemand eine Frau zur Ehe nimmt und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat, und er einen Scheidebrief schreibt und ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Hause entlässt […] (Dtn 24,1).147

Die interpretierende NT-Stelle der Position B.1 (= Zit. 18, Vers 8) wird bei Augustin in verkürzter Form zitiert (Zit. 17: Hoc […] Moyses fecit propter duritiam cordis vestri.) und im Blick auf den ätiologischen Schriftsinn kommentiert (ibid.: Hic enim… videretur). Was die Argumentation auf der Ebene B betrifft, so stehen sich hier im Grunde zwei Claims, wie es scheint, unvereinbar gegenüber: die Erlaubnis der Ehescheidung durch Mose und ihr Verbot durch Jesus. Die Unvereinbarkeit wird jedoch dadurch überbrückt, dass Jesus Moses Claim durch ein – strikt epochenspezifisches – Datum stützt: propter duritiam cordis vestri = ‚eures Herzens Härte wegen‘, während er seinen eigenen Claim durch das Datum der zeitlichen Relativierung untermauert (Zit. 18: von Anbeginn aber ist’s nicht so gewesen, von Augustin ausbuchstabiert als …ut hoc, quod Christus praecipiebat, alia iam tempora demonstrare videretur). Im Hintergrund steht ein impliziter Warrant der divisio a contrario: Für zwei verschiedene Falltypen gilt nicht das gleiche (Perelman & Olbrechts-Tyteca 1983, 325), d.h. hier: In zwei Epochen (vor und nach Christus) ist nicht die gleiche Argumentation anzuwenden.

Entscheidend an diesem modus des Schriftsinns ist nach Augustin ebendies: causa reddita est (Zit. 17), d.h. es wird argumentiert oder genauer: ein Datum zu einem Claim eingeführt. Es geht also, anders als bei den übrigen Beispielen, nicht um irgendwelche Geschehnisse, sondern ausschließlich um – argumentative – Kommunikationsakte, die als historisch anzusehen sein müssen, damit die Diskussion der Beteiligten (in Mt 19,6–9) überhaupt einen Sinn hat. Auch hier stellen wir, ähnlich wie beim historischen Schriftsinn, fest, dass die AT-Stelle gerade deshalb herangezogen wird, weil sie ein historisches Faktum – hier eine Äußerung – wiedergibt, die man als Claim mit einem Datum stützen kann. Eine Ambiguität der zitierten Äußerung ist hier nicht nur nicht erkennbar, sondern sie wäre argumentativ sogar fatal. In referenzieller Hinsicht liegt also, soweit erkennbar, auch hier der denkbar einfachste Fall vor (vgl. Abb. 5): eine Textpassage Dtn 24,1 (= S), die über eine bestimmte Konzeptualisierung (K) auf einen Sachverhalt (R) referiert.

Ähnlich wie schon beim historischen Sinn (5.2) stellen wir auch beim ätiologischen Sinn fest, dass es bei der Interpretation in erster Linie um die Einbindung der zu interpretierenden AT-Stelle (Ebene C) in einen Argumentationsvollzug geht, hier im Vergleich zu der argumentativ anders einzuschätzenden NT-Kotext-Stelle (Position B.2 = Zit. 18, Vers 6). Auch hier fehlt aber die für den allegorischen Sinn typische referenzielle Problematik. Damit die konkurrierenden Claims überhaupt Gegenstand einer Argumentation werden können, müssen die betreffenden Textstellen gerade referenziell unproblematisch sein.

5.4 Die analoge Auslegung der Heiligen Schrift

Auch die analoge Auslegungsweise beschreibt Augustin kurz:

(Zit. 20)

[…] secundum analogiam [sc. traditur], cum demonstratur non sibi adversari duo testamenta, vetus et novum […] (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 5 [90,21f.]).

 

„Im analogen [sc. Sinn] [sc. wird vermittelt], indem man nachweist, dass sich die beiden Testamente, das Alte und das Neue, nicht widersprechen.“

In seiner Auseinandersetzung mit den Manichäern ist die analoge Auslegungsweise insofern besonders wichtig, als mit ihr aufgezeigt werden soll, dass sich die beiden Testamente der Bibel nicht widersprechen. Bei der Erläuterung der analogen Auslegungsweise fügt Augustin noch die positive Bestimmung hinzu, dass die analoge Auslegungsweise die Übereinstimmung beider Testamente durchsichtig mache (Iam porro analogiam, qua utriusque testamenti congruentia perspicitur, Augustinus 1992, De utilitate credendi, 6 [92,21f.], „Weiter nun zur Auslegung im analogen Sinn, die die Übereinstimmung der beiden Testamente einsichtig macht“). Die analoge Schriftauslegung zusammenfassend, stellt Augustin später fest:

(Zit. 21)

[demonstratur]… et veteris testamenti ad novum tanta congruentia, ut apex nullus, qui non consonet, relinquatur … (Augustinus 1992, De utilitate credendi, 9 [104,4f.]).

 

„[M]an erweist die Übereinstimmung des Alten mit dem Neuen Testament, die so weit reicht, daß alles bis aufs I-Tüpfelchen im Einklang steht.“

Die auch von den Manichäern anerkannten Autoritäten, also Jesus und die Apostel (Hoffmann 1992, 26), bedienten sich selbst der analogen Schriftauslegung. Die von den neutestamentlichen Autoritäten praktizierte analoge Schriftauslegung erweise demnach die Dignität des Alten Testaments. Augustin wechselt im Rahmen der Erläuterung der analogen Auslegungsweise recht unvermittelt zu einer Diskussion der Fälschungshypothesen der Manichäer, die bei ihnen etwa zur Ablehnung der Apostelgeschichte führte. Ein Beispiel für die analoge Auslegungsweise bietet Augustin in dieser Schrift nicht.148

Die analoge Auslegungsweise des Alten Testaments gibt keinen Hinweis auf eine Ambiguität dieser Texte. Es handelt sich bei der analogen Auslegungsweise um eine externe Bestätigung der alttestamentlichen Texte durch Jesus und die Apostel, also durch die Autoritäten des Neuen Testaments, die auch von den Manichäern akzeptiert werden.

5.5 Neugruppierung der vier modi des Schriftsinns

Wie wir gesehen haben, besteht eine Gemeinsamkeit zwischen dem allegorischen, dem historischen und dem ätiologischen Schriftsinn: In allen Fällen wird die betreffende Interpretationsmethode auf der Ebene B (im Sinne von Abb. 2) in den Dienst einer bestimmten Argumentation gestellt (was im Falle des ‚ätiologischen‘ Sinnes sogar definierend ist). Während jedoch die Argumentation beim historischen und beim ätiologischen Schriftsinn gerade auf referenzieller Sicherheit aufbaut, also eine Interpretation ad litteram voraussetzt, tritt nur im Falle der allegorischen Interpretation ein referenzielles Problem hinzu: die Ambiguität zwischen einer wörtlich-einstufigen Lesart (die immer auch gegeben ist: S1 → R1) und einer Lesart, die eine zweite Stufe der Semiose involviert (S1 → R1 = S2 → R2). In diesem Sinne revidieren wir unsere prima-facie-Gruppierung der vier modi (Abb. 3) und fassen weiter unten in Abb. 9 zunächst eine Gruppierungsmöglichkeit ins Auge, bei der wir den historischen und den ätiologischen Schriftsinn als ad litteram (ohne Ambiguität) zusammenfassen, in Absetzung vom allegorischen Schriftsinn, bei dem eine Ambiguität zwischen ad litteram und figurate auftritt.

Schwierig wird es nun beim analogen modus des Schriftsinns, weil Augustin hier die Exemplifizierung schuldig bleibt (es fehlen die Ebenen B und C nach Abb. 2; vgl. 3.1). Wie schon in 5.4 dargelegt, betont er dabei nur die congruentia , das Nicht-im-Widerspruch-zueinander-Stehen (adversari) des Alten und des Neuen Testaments, aber eine Ambiguität der altttestamentlichen Texte ist nicht erkennbar. Dies könnte dafür sprechen, den analogen Schriftsinn zusammen mit dem historischen und dem ätiologischen der Gruppe ad litteram zuzuweisen, wie in der ersten Zeile von Abb. 9 tentativ angedeutet.

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Abbildung 9: Revidierte Gruppierungsmöglichkeiten der vier modi des Schriftsinns

Eine andersartige Gruppierung nimmt demgegenüber de Lubac vor, der den analogen von dem für ihn nicht minder problematischen allegorischen modus aus zu integrieren sucht:

C’est qu’il y a dans cette allegoria du De utilitate credendi quelque chose d’ambigu. Elle ne correspond ni pleinement ni exclusivement à aucune des sortes d’intelligence qui seront distinguées dans la suite, – ou qui l’étaient déjà d’une autre manière. Parmi les quatre modi que saint Augustin énumère ici, il faut combiner ensemble l’analogia et l’allegoria pour obtenir l’allégorie chrétienne (de Lubac 1959–64, Bd. 1.1, 180f.).

Damit stünde die Gruppe „christliche Allegorie“ (analog + allegorisch) der nicht allegorischen Gruppe (historisch + ätiologisch) gegenüber, wie in der dritten Zeile von Abb. 9 dargestellt.

Vor dem Hintergrund dieser Gruppierung sticht nun die Benennung des dritten modus als solche ins Auge (Zit. 20): secundum analogiam. Wir liegen damit zumindest terminologisch sehr nahe bei der in bestimmten Fällen von Allegorie (5.1.1 und 5.1.2) beobachteten Similarität (die man auch als ‚Analogie‘ bezeichnen könnte). Selbst wenn keineswegs evident ist, ob beim analogen Schriftsinn semiotische Zweistufigkeit mit Ambiguität vorliegt (mit Similarität zwischen K1 und K2 im Sinne von Abb. 7), zeichnet sich die Relation der Similarität als potenzielles Bindeglied zwischen dem analogen und zumindest einigen Fällen des allegorischen Schriftsinns ab. Auch von daher ist es nicht von der Hand zu weisen, den analogen und den allegorischen Modus zusammenzurücken, wie es de Lubac versucht.

Wenn wir allerdings die kognitiven Relationen ins Spiel bringen, werden, wie bereits in 5.1.4 angedeutet, unterschiedliche Typen der Allegorie sichtbar: der kontiguitätsbasierte (Hagar und Sara: 5.1.3) und der similaritätsbasierte (Jona: 5.1.1, Israelit(inn)en: 5.1.2). In dieser Perspektive – das ist in der letzten Zeile von Abb. 9 dargestellt – berührt sich der similaritätsbasierte Typ der Allegorie tatsächlich mit der Analogie. Aber wir können noch einen Schritt weiter gehen und einen vergleichenden Blick auf den historischen Schriftsinn werfen (Zit. 1): Wie in 3.1 dargelegt, bedient sich Christus in Mt 12,1–2 eines argumentum ex auctoritate, indem er das Verhalten seiner Jünger im Kornfeld durch Davids Vorbild rechtfertigt (1Sam 21,3–7 = Zit. 3). Argumenta ex auctoritate sind aber grundsätzlich similaritätsbasiert („X darf im vorliegenden Fall so handeln wie die Autorität Y“). Damit ist also auch Augustins Beispiel für den historischen Schriftsinn similaritätsbasiert, was die Relation zwischen der zu interpretierenden NT-Kotext-Stelle (Position B.2) und der zu interpretierenden AT-Stelle (Ebene C) betrifft; das sicut bleibt hier lediglich implizit. Als Konstante durchzieht also den historischen, den analogen und – mit Ausnahme eines Beispiels – den allegorischen Schriftsinn die Similarität zwischen den Referenten von AT- und NT-Stellen bzw. den zugehörigen Konzepten.

Sieht man sich nun genauer das Beispiel für den ätiologischen Schriftsinn an, so liegt hier, wie in 5.3 gezeigt, argumentativ eine divisio a contrario, kognitiv also eine Relation des Kontrastes vor (Moses/AT vs. Christus/NT). Dies scheint mit Similarität rein gar nichts zu tun zu haben. Similarität und Kontrast sind jedoch komplementäre Optionen innerhalb ein und derselben kognitiven Dimension: je stärker der Kontrast, desto geringer die Similarität und umgekehrt (Blank 1997, 142f.). Insofern können wir also auch die Ätiologie in das Gesamtbild mit hineinnehmen, wie in der letzten Zeile von Abb. 9 erkennbar. Den historischen, den ätiologischen, den analogen und den (similaritätsbasierten) allegorischen Schriftsinn verbindet folglich das Vorliegen einer Similaritätsrelation (bzw. komplementär dazu einer Kontrastrelation) zwischen den Referenten von AT- und NT-Stellen bzw. den zugehörigen Konzepten.

Dessen unbeschadet dürfen nicht die in der ersten Zeile von Abb. 9 sichtbaren Unterschiede verwischt werden. Beim allegorischen Sinn liegt – genau nach Abb. 7 – zweistufige Ambiguität vor, mit einer Similaritätsrelation (oder ggf. einer Kontiguitätsrelation) zwischen K1 und K2, wobei R1 = S2 ein Zeichen höherer Stufe bildet. Beim historischen und beim ätiologischen Sinn liegt demgegenüber, wie wir in 5.2 und 5.3 gezeigt haben, gerade keine Ambiguität und keine semiotische Zweistufigkeit vor. Angemessener wäre hier demnach eine Darstellung wie in Abb. 10. Wir haben es mit einer jeweils einstufigen Semiose an einer Stelle des Alten Testaments (S1 → K1 → R1) und an einer Stelle des Neuen Testaments zu tun (S2 → K2 → R2). R1 wird hier nicht zu einem Zeichen höherer Stufe. Dennoch sind die beiden Semiosen nicht völlig unabhängig voneinander, denn zwischen den zugehörigen Konzeptualisierungen K1 und K2 besteht eine argumentativ relevante kognitive Relation, sei es der Similarität, sei es des Kontrastes.

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Abbildung 10: Relation zwischen zwei einstufigen Semiosen beim historischen, beim ätiologischen und (vermutlich) beim analogen Schriftsinn

Bei dem von Augustin nicht exemplifizierten analogen Schriftsinn muss, abgesehen von der Similaritätsbasiertheit (Abb. 9, letzte Zeile), die Einordnung offen bleiben: Kann man aus seiner von de Lubac diagnostizierten Nähe zur Allegorie i.e.S. (Abb. 9, dritte Zeile) schließen, dass er dem Modell von Abb. 7 entspricht? Oder sollte man das Fehlen klarer Hinweise auf eine (zweistufige) Ambiguität (5.4) eher so interpretieren, dass die Analogie zusammen mit der historia und der Ätiologie nach dem Modell von Abb. 10 zu behandeln ist?

6 Ergebnis: Ambiguität in Produktion und Rezeption bei den Manichäern und bei Augustin nach De utilitate credendi

Zum Schluss möchten wir noch einmal grundsätzlich auf die in Abb. 1 dargestellte Matrix zur Ambiguität zurückkommen. Aus den Ergebnissen unserer Untersuchungen ergibt sich, wie gleich dargestellt wird, dass die Parameter ‚Produktion‘ und ,Rezeption‘ in einer bestimmten Hinsicht differenziert werden können. Wir gehen von folgenden Grundkonstellationen bezüglich einer irgendwie zu identifizierenden Ambiguität aus:

1. PS+ vs. PS Ambiguität ist im Produktionsakt nachweislich strategisch angelegt (vs. ist nachweislich nicht strategisch angelegt).
2. RS+ vs. RS Ambiguität wird im Rezeptionsakt strategisch erzeugt (vs. wird nicht strategisch erzeugt).
3. R[PS+] vs. R[PS] Der Rezipient unterstellt, dass Ambiguität im Produktionsakt strategisch angelegt ist (vs. nicht strategisch angelegt ist).
4. R‘[R[PS+]] vs. R’[R[PS]] Ein Rezipient R‘ unterstellt einem Rezipienten R, dass dieser seinerseits unterstellt, dass Ambiguität im Produktionsakt nachweislich strategisch angelegt ist (vs. nachweislich nicht strategisch angelegt ist).

Unsere Fragestellung richtet sich allein darauf, wie Augustin – und vor dem Hintergrund seiner Darstellung die Manichäer – Ambiguitäten im Alten Testament bewerten. Insofern ist der vorliegende Aufsatz kein eigener Beitrag zur Ebene 1: Wir treten hier selbst nicht als Interpreten der alttestamentlichen Texte und ihrer Ambiguitäten auf. Bei Ebene 3 geht es nicht einfach darum, was der Rezipient selbst tut (das wäre Ebene 2), sondern darum, was der Rezipient dem Produzenten im Hinblick auf den Umgang mit Ambiguität unterstellt. Auf Ebene 4 haben wir eine noch komplexere Situation: Hier geht es darum, was ein Rezipient R’ (in unserem Fall: Augustin) einem von ihm kommentierten Rezipienten R (in unserem Fall: Jesus, die Apostel und Paulus) unterstellt im Hinblick darauf, was wiederum R einem Produzenten im Umgang mit Ambiguität unterstellt.

Auf dieser Grundlage lässt sich die Differenz zwischen der Schriftauslegung der Manichäer und Augustins verdeutlichen.

Für die Manichäer muss die als autoritativ anerkannte Schrift eindeutig sein. Eine mögliche Ambiguität wäre ein Versehen, wodurch eben diese Autorität eingeschränkt oder aufgrund derer sie gar bestritten werden müsste. Wir stellen aus unserer heutigen Sicht fest, dass für die Manichäer Ambiguität in der Produktion nicht strategisch eingesetzt war (R[PS]).

Nach Augustin kann eine Ambiguität des Alten Testaments dessen Autorität nicht prinzipiell angreifen, da nach seiner Ansicht zumindest an einigen Stellen bereits in der Produktion Ambiguitäten eingesetzt werden. Er geht also aus unserer heutigen Sicht von einer strategischen Ambiguität in der Produktion aus (R[PS+]). Dieser Behauptung Augustins entspricht auch die von ihm geforderte und durchgeführte strategische Rezeption mit Blick auf die Ambiguität der Texte des Alten Testaments (RS+). Diese Strategie der Rezeption haben nach Augustin bereits die Autoritäten im Neuen Testament angewandt (vgl. den Anfang von Abschnitt 4). Beim Durchgang durch die einzelnen Auslegungsweisen konkretisiert Augustin seine Einschätzung. Augustins Perspektive kann aus der Sicht des gegenwärtigen Umgangs mit dem Alten Testament nicht einfach übernommen werden. Wir beobachten zwar unstreitig, dass er Ambiguität im Rezeptionsakt strategisch erzeugt (RS+), aber hinsichtlich des Alten Testaments ist aus unserer Perspektive sein Vorgehen den obigen Ebenen 3 und 4 zuzuordnen: Im Rahmen seiner Argumentation ex auctoritate (vgl. 3.2) verfährt er aus unserer Sicht folgendermaßen: Er (= R’) unterstellt den Autoritäten des Neuen Testaments, dass sie als Rezipienten des Alten Testaments (= R) ihrerseits unterstellen, dass Ambiguität im Produktionsakt dieser Texte nachweislich strategisch angelegt ist (R’[R[PS+]]). Daraus leitet er den Claim ab, dass man unterstellen muss, dass Ambiguität im Produktionsakt strategisch angelegt ist (R[PS+]).

Der historische Sinn der Schrift (vgl. 5.2) ist zunächst in seiner Produktion nicht ambig, mögliche Ambiguitäten wären dann nicht strategisch eingesetzt (R[PS]). – Augustin weist darauf hin, dass mit der historischen Auslegung zu unterscheiden sei zwischen tatsächlich Geschehenem und solchem Geschehen, das als tatsächlich Geschehenes erzählt werde, aber nicht solches sei, sondern über das tatsächlich Geschehene hinausweise. Damit fordert er allerdings schon im Bereich des historischen Sinns mit Blick auf Ambiguität eine strategische Rezeption (RS+), da bereits der historische Sinn in der Produktion so eingesetzt worden sein könnte, dass er eben über sich hinausweise (R[PS+]). Für die Manichäer ist das – zumindest nach der Darstellung Augustins – nicht denkbar.

Über den ätiologischen Sinn der Schrift ist in diesem Zusammenhang nichts zu sagen, da es sich, wie in 5.3 gezeigt, nach unserem Verständnis nicht um Ambiguität handelt. Es handelt sich vielmehr – zumindest in dem zitierten Beispiel der Frage nach der Ehescheidung – um eindeutige Texte mit historischem Sinn, die aber aus unterschiedlichen Epochen stammen, was gerade argumentativ bedeutsam wird. Die Rezeption muss deshalb den historischen Sinn der Texte identifizieren und einer je unterschiedlichen Epoche zuordnen.

Die Anwendung des analogen Schriftsinns (vgl. 5.4 und 5.5) setzt, soweit dies in De utilitate credendi überhaupt erkennbar ist, voraus, dass die alttestamentlichen Texte gerade keine Ambiguität aufweisen, weshalb sie in ein plausibles Verhältnis zu den Texten des Neuen Testaments gesetzt werden könnten.

Der allegorische Schriftsinn (vgl. 5.1) verkörpert in prototypischer Weise das oben ausdifferenzierte System von Ambiguität in Produktion und Rezeption und ihre gegenseitige Komplementarität. In allen drei Beispielen ist nach Augustin vorauszusetzen, dass die Ambiguitäten in der Produktion bereits angelegt sind und somit auf das Neue Testament verweisen (R[PS+], gegebenenfalls argumentativ gestützt durch ein entsprechendes Vorgehen der neutestamentlichen Autoritäten: R’[R[PS+]]). Dies muss die Rezeption berücksichtigen, weshalb die Ambiguitäten strategisch aufgesucht werden müssen (RS+). In der Jona-Geschichte, im Exodusgeschehen wie in der Hagar-Sara-Typologie sind die Ambiguitäten nach Augustin in der Produktion geradezu geschaffen worden, um auf das Neue Testament, auf die Jesus-Geschichte und die christliche Gemeinde vorauszuverweisen (R[PS+)]). Der Sinn der Texte mit seinen Ambiguitäten kann nur bei einer entsprechenden strategischen Rezeption erfasst werden (RS+).

Für Augustin scheint sich nach De utilitate credendi Folgendes nahezulegen. Ambiguitäten sind im Alten Testament möglich und – gegen die Manichäer –auch für dessen Autorität nicht schädlich, insofern sie in der Produktion bereits strategisch eingesetzt sind (R[PS+)]). Dann ist aber auch eine strategisch auf diese Ambiguitäten ausgerichtete Auslegung erforderlich (RS+), um den Sinn der Schrift überhaupt zu erfassen. Die so gewonnene Einsicht in die Ambiguitäten der Heiligen Schrift macht diese allererst durchsichtig auf ihr Handlungs- und Orientierungspotential.

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