KAPITEL 13

Ausblick: Messenger, Chatbots, digitale Sprachassistenten & Co.

In diesem Kapitel:

Social Media sind ständig in Bewegung: Netzwerke verlieren an Bedeutung oder verschwinden, und andere entstehen neu. Nachdem die Nutzerzahlen lange Zeit ungebremst gewachsen sind, tritt nun Konsolidierung ein, und einige Communitys verändern sich. Junge Leute verabschieden sich aus Facebook, doch die Silver Surfer fühlen sich dort pudelwohl. Instagram nimmt Snapchat die Nutzer weg, TikTok greift YouTube an, und LinkedIn kannibalisiert den Markt von XING. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Viel entscheidender sind jedoch die grundsätzlichen und netzwerkübergreifenden Trends.

Mobil ist kein Trend mehr, sondern eine etablierte Tatsache. In Deutschland und Europa ist der Anteil mobiler Zugriffe auf das Internet zwar noch niedriger als in anderen Regionen, doch die Entwicklung ist eindeutig und unumkehrbar. Mit dem hosentaschentauglichen mobilen Device lassen sich große Teile des privaten und geschäftlichen Lebens organisieren – und sogar das klassische lineare Fernsehen kann digital begleitet werden. Oder twittern Sie am Sonntagabend nicht mit dem Hashtag #Tatort, während die beliebte Krimireihe in der ARD läuft? Telefoniert wird nur noch in seltenen Fällen, meist lieber eine Text- oder Sprachnachricht übermittelt.

Das verändert auch die Kontaktmöglichkeiten seitens Unternehmen: Anrufe möchten die wenigsten Kunden bekommen, eine kurze Nachricht über den Messenger wird in der Regel freundlicher aufgenommen. Obendrein haben die Kunden weder Zeit noch Lust, in einer Telefon-Hotline zu versauern. Über den Messenger eine schnelle Frage zu schicken und entspannt auf die Antwort zu warten, ist deutlich komfortabler. Doch es geht nicht nur um die Wahl des geeigneten Kanals, sondern ebenso um die richtige Art und Weise, im passenden Moment zu kommunizieren. Wer das Internet und die sozialen Medien über sein Smartphone nutzt, ist häufig gerade unterwegs oder parallel mit anderen Dingen beschäftigt.

Die Aufmerksamkeitsspanne nimmt immer mehr ab und die Fülle an Plattformen und Content zu. Daher müssen sich Unternehmen auf das geänderte Nutzungsverhalten einstellen und noch stärker auf die Relevanz ihrer Inhalte achten. Um mehrere Plattformen mit zielgruppengerechtem Content zu bespielen, bietet sich die Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI) an. Durch den Einsatz von Textrobotern können einfache Texte schneller und günstiger produziert werden, beispielsweise Produktbeschreibungen für einen Onlineshop. Doch selbst der relevanteste, unterhaltsamste und aktuellste Inhalt kommt bei den Nutzern nicht an, wenn nicht idealerweise in den ersten zwei Sekunden nachhaltig ihr Interesse geweckt wird.

Messenger im Social Media Marketing

Bei der Internetnutzung zeigt sich ein Rückzug ins Private. Statt auf Facebook und Twitter öffentlich oder zumindest Freunden, Bekannten, Familie und Kollegen zu zeigen, was im eigenen Leben passiert, kommunizieren viele Menschen lieber über Messenger. Dort gibt es den klassischen Eins-zu-eins-Dialog oder die Unterhaltung in einer Gruppe wie der Familie, der Laufgruppe oder dem engen Freundeskreis. Die Zuwachszahlen von WhatsApp und Facebook Messenger im Westen und WeChat sowie QQ in Asien sind ungebrochen. Conversational Marketing, also der Fokus auf dem Gespräch mit (potenziellen) Kunden als Mittelpunkt der Customer Journey, ist ein wichtiger neuer Trend im Onlinemarketing.

Tipp

Arbeiten Sie mit Messenger-Diensten, drohen Ihnen rechtliche Stolperfallen. Verlinken Sie in der ersten Nachricht, die Sie Kunden über den Messenger zukommen lassen, auf Ihre Datenschutzerklärung. Welche Hinweise die Datenschutzerklärung bezüglich der Messenger-Dienste enthalten sollte, können Sie dem Rechtskapitel am Ende des Buchs entnehmen.

In Deutschland ist bislang die Facebook-Tochter WhatsApp der beliebteste Messenger-Dienst, wie das Umfrageergebnis in Abbildung 13-1 unterstreicht. Auch Skype und Snapchat werden gern als Messenger-Apps genutzt. Mit einem kleineren Marktanteil halten sich die ebenfalls kostenfreie Konkurrenz von Telegram, Signal, Wire, Viber und Line sowie das kostenpflichtige Threema. Diese alternativen Messenger-Dienste sind für jene Nutzer interessant, die ein besonderes Augenmerk auf die Datensicherheit legen.

image

Abbildung 13-1 BITKOM Research 2018: Nutzung von Messenger-Diensten in Deutschland

Ein großer Teil der Bevölkerung nutzt Messenger-Dienste selbstverständlich im Alltag – über alle Altersgruppen hinweg. Erstaunliche 70 Prozent der Menschen im Alter über 65 Jahre nutzen Messenger-Apps und mit 98 Prozent praktisch alle 14- bis 29-Jährigen. Folglich bieten Messenger-Dienste für den unkomplizierten Kundenservice und im nächsten Schritt für das besondere Nutzererlebnis im Marketing der Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Dabei sollten Sie sich als Unternehmen in Ihrer Tonalität dem vergleichsweise privaten Rahmen der Direktnachrichten anpassen, also eher duzen als siezen, gelegentlich Emojis einsetzen und möglichst zeitnah antworten.

Die MessengerPeople GmbH (vormals WhatsBroadcast GmbH) führte zusammen mit YouGov im Juli 2019 mit der Studie »Kundenservice heute« eine repräsentative Umfrage durch, in der 520 Unternehmensentscheider befragt wurden. Dabei bezeichneten 58 Prozent der Unternehmen Messenger-Dienste als die Zukunft des Kundenservice. Aktuell bietet allerdings erst jedes fünfte befragte Unternehmen Kundenservice per Messenger an, was ungefähr gleichauf mit Social Media liegt. Dafür sind starke 41 Prozent der Unternehmen noch per Fax erreichbar!

image

Abbildung 13-2 MessengerPeople-Studie 2019 | YouGov »Kundenservice heute«: Kanäle des Kundenservice1

In ihrer 2018er-Studie ermittelte MessengerPeople, dass vier von fünf Deutschen mindestens mehrfach pro Woche, wenn nicht sogar pro Tag oder Stunde Messenger-Dienste nutzen. Für Unternehmen ist die Aussage besonders wichtig, dass die befragten Menschen dreimal so gern den Kundenservice über den Messenger in Anspruch nehmen als über Social Media.2 Dieses Ergebnis unterstreicht, dass sich Messenger-Dienste besonders gut für Serviceleistungen eignen, gerade wenn es um kurze Fragen und den Wunsch nach einer schnellen Auskunft geht. Am beliebtesten ist ganz banal die Vereinbarung eines Termins über den Messenger, gefolgt von der Möglichkeit, Informationen zu erhalten und sich zu beschweren. Abbildung 13-3 zeigt, welchen Mehrwert Messenger-Dienste den Kunden bieten.

Was ist an diesem Rückzug ins Private für Unternehmen interessant? Das Erstaunliche ist, dass viele Menschen zwar Werbung in Facebook ignorieren, aber Nachrichten von Unternehmen im Facebook Messenger zulassen. Laut der MessengerPeople-Studie hatten zehn Millionen Menschen mindestens einen Newsletter per Messenger abonniert. Die Öffnungsraten von Messenger-Newslettern sind hoch im Vergleich zu dem kleinen Anteil von Nutzern, die einen per E-Mail erhaltenen Newsletter öffnen. Das hängt auch – aber längst nicht nur – damit zusammen, dass es eine vergleichsweise neue Art ist, mit Firmen zu kommunizieren. Neben den hohen Öffnungsraten fallen auch die geringeren Abmelderaten im Vergleich zum E-Mail-Newsletter auf. Zudem hat die Verbundenheit via Messenger indirekt einen positiven Effekt auf die Sichtbarkeit von Unternehmen. Wer mit einem Unternehmen via Facebook Messenger kommuniziert, um eine Frage zu klären oder eine Reklamation zu äußern, wird als enger mit dem Unternehmen verbunden klassifiziert.

image

Abbildung 13-3 MessengerPeople-Studie 2019 | YouGov »Kundenservice heute«: Mehrwert im Kundenservice über Messenger-Dienste3

Unternehmen, die bislang WhatsApp für das Newsletter-Marketing genutzt haben, müssen ab Dezember 2019 umdenken. Ab dem 7. Dezember verbietet WhatsApp den Massenversand von Newslettern über seinen Dienst. Bislang war es eine gern genutzte rechtliche Grauzone. Als Alternative verweist WhatsApp auf seine App WhatsApp Business und die zugehörige Schnittstelle (API) gleichen Namens.4 Die personalisierte Kommunikation mit den Kunden ist weiterhin möglich, sodass die Unternehmen hier mehr Kreativität entwickeln müssen.

Öffentliche Unterhaltungen können schnell auf den Messenger verlegt werden, wenn die Bearbeitung eines Falls den Austausch persönlicher Daten erfordert. Facebook zeigt im Messenger mittlerweile auch Anzeigen an. Die Unternehmen können zwischen Messenger Ads, Click-to-Messenger-Ads und Sponsored Messages wählen.

Definition

Bei WeChat handelt es sich um einen 2011 veröffentlichten chinesischen Messenger-Dienst, der weltweit von über einer Milliarde Menschen genutzt wird, die meisten davon in China. Neben dem Versand von Nachrichten bezahlen die Chinesen über die App, vereinbaren Arzttermine oder lassen sich damit Essen liefern. Diese Leistungen bieten externe Anbieter, die sich über eine offene Schnittstelle an WeChat anhängen und es zu einer All-in-one-App machen. Auf die daraus entstehende Datenfülle hat auch der chinesische Staat Zugriff. Chinesische Touristen können in manchen Läden in deutschen Großstädten bereits mit WeChat bezahlen. Für deutsche Nutzer ist das Bezahlsystem nur mit vielen Hürden nutzbar, sie nutzen meist lediglich die Chatfunktion von WeChat.

Der Trend geht zum Messenger als All-in-one-App

Wer sich WeChat näher anschaut, bekommt ein Gefühl dafür, was die Zukunft der Messenger-Dienste bereithalten könnte. Viele Smartphone-Nutzer sind es leid, ständig neue Apps herunterzuladen. Der Trend geht dahin, alles zentral über eine Messenger-App anzubieten, wie es bei WeChat bereits gängige Praxis ist. Der Facebook Messenger ist dabei, sich zu einer solchen All-in-one-App zu entwickeln und als digitaler Assistent seinen Nutzern das Leben zu erleichtern.

In China lässt sich beinahe das ganze Leben mit WeChat organisieren, die Menschen bezahlen damit auch im Ladengeschäft– für viele bargeldverliebte Deutsche immer noch schwer vorstellbar. Deutsche Unternehmen sollten im Hinterkopf behalten, dass in China einige der im Westen beliebten und reichweitenstarken Social-Media-Plattformen temporär oder dauerhaft gesperrt sind. Auf legalem Weg sind sie folglich für die chinesische Bevölkerung unerreichbar. Daher bietet es sich für deutsche Unternehmen an, einen sogenannten »offiziellen« Account auf WeChat anzulegen, wenn sie chinesische Kunden erreichen möchten. Die Hürde ist dabei ein Antrag, den das Unternehmen für die chinesische Businesslizenz stellen muss.

Die Kommunikation zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist auf WeChat weit etablierter als auf WhatsApp oder dem Facebook Messenger. Große Marken wie Nike und global tätige Konzerne mit Präsenz in Asien wie Siemens oder Bayer sind längst auf WeChat vertreten.5

Messenger-Dienste werden in verschiedenen Branchen erfolgreich genutzt, dazu zählen Medien und Tourismus. Beide Bereiche zeichnen sich durch die Notwendigkeit aus, Informationen schnell zu verbreiten. Als Praxisbeispiel aus der Tourismusbranche schauen wir uns nachfolgend die Onlineplattform Urlaubsguru an und fragen ihren Marketingleiter, ob sie bereits Chatbots in ihrem Messenger-Marketing einsetzen und wie Voice-kompatibel ihr Content ist.

Voice-kompatible Informationen für Touristen: das Praxisbeispiel Urlaubsguru

Als Reiseportal mit Angeboten für Schnäppchenjäger lebt Urlaubsguru davon, seine Informationen und Empfehlungen mit hoher Geschwindigkeit zu verbreiten. Besonders günstige Angebote sind innerhalb von Minuten ausgebucht, weshalb ein E-Mail-Newsletter oder selbst Twitter ein zu langsames oder zu wenig direktes Medium darstellt. Seit Ende 2016 arbeitet Urlaubsguru mit WhatsApp: Gut 150.000 Abonnenten erhalten mittlerweile täglich ein Reiseangebot und können dabei im Vorfeld eine Kategorie wählen. Das Onlineportal erfreut sich hoher Click-through-Rates, die Angaben zufolge zwischen 25 und 75 Prozent liegen.6

Definition

Die Click-through-Rate (CTR) beschreibt das Verhältnis von Klicks zu Impressionen (Einblendungen) und trifft eine Aussage über die Qualität des gewählten Werbemittels und des Targeting-Sets. Sehen hundert Nutzer ein Werbebanner und zwei davon klicken es an, würde die CTR für das Werbebanner zwei Prozent betragen.

image

Abbildung 13-4 Marco Lauerwald, Leiter des Onlinemarketings der UNIQ GmbH

Interview

»Chatbots sind für uns ein wichtiges Thema geworden«

Ein Interview mit Marco Lauerwald, Leiter des Onlinemarketings bei der UNIQ GmbH

Marco Lauerwald betreut mit seinem Team die Social-Media-Aktivitäten von Urlaubsguru. Wir haben mit ihm gesprochen, um zu erfahren, wie das Onlineportal Messenger-Dienste, Chatbots, digitale Sprachassistenten und VR-Anwendungen einsetzt.

Herr Lauerwald, Chatbots werden immer beliebter und finden bereits auf vielen Websites und in Webshops Anwendung – auch in der Tourismusbranche. Arbeiten Sie mit Chatbots, um eingehende Fragen Ihrer Kunden 24/7 beantworten zu können?

Marco Lauerwald: Chatbots sind für uns ein wirklich wichtiges Thema geworden. Aktuell arbeiten wir mit zwei Chatbots. Den einen haben wir auf unserem WhatsApp-Kanal installiert und den anderen auf dem Facebook Messenger. Die Bots erfüllen dabei mehrere Aufgaben. Zum einen sind sie dafür da, dass die User auch per »Pull« an Informationen kommen. Sie können sich beispielsweise Reisetipps oder Angebote direkt über den Bot abholen. Zum anderen helfen die Bots dabei, das Community-Management effizienter zu gestalten. Wir können bestimmte Informationen direkt vom Bot abfragen lassen, ehe wir die Anfrage an den richtigen Ansprechpartner in unserem Community-Management weiterleiten und sie beantworten. Der Chatbot ersetzt hier also nicht die besonders wichtige Kommunikation zwischen zwei Menschen, sondern dient uns als Hilfsmittel, um sowohl effizienter zu arbeiten als auch dann Antworten zu liefern, wann immer der User es möchte.

Definition

Der Begriff Chatbot setzt sich aus chat (plaudern) und bot (Roboter) zusammen. Bei einem Chatbot handelt es sich um ein Dialogsystem, das in natürlicher geschriebener oder gesprochener Sprache kommuniziert. Zum Einsatz kommt die Software auf Websites, in Onlineshops oder in Messenger-Diensten. Dort beantwortet sie Fragen, erklärt Produkte oder begrüßt im Chat neue Besucher und startet mit ihnen eine Unterhaltung. Kommt künstliche Intelligenz ins Spiel, lernen die Chatbots aus den Gesprächen und entwickeln sich weiter. Ihre Antworten lassen sich dann kaum noch von denen eines Menschen unterscheiden. In sozialen Netzwerken sprechen wir von Social Bots, die beispielsweise automatisierte Direktnachrichten an neue Follower in Twitter versenden.

Nutzt Urlaubsguru neben dem WhatsApp-Newsletter auch andere Messenger-Dienste wie den Facebook Messenger oder WeChat?

Marco Lauerwald: Wir haben erst kürzlich eine Analyse der digitalen Touchpoints gemacht. Dabei kam heraus, dass User mittlerweile über 50 Möglichkeiten haben, mit uns in Kontakt zu treten. Neben dem WhatsApp-Service nutzen wir den Facebook Messenger und sind in den letzten Zügen bei der Implementierung eines Live-Chats direkt auf der Homepage. WeChat oder Anbieter wie Telegram werden für uns ab 2020 wieder relevanter, wenn Unternehmen WhatsApp nicht mehr als Newsletter-Push-Kanal nutzen dürfen. Mit diesem Verbot rücken andere Anbieter natürlich als Alternative in den Fokus.

Haben Sie bei Urlaubsguru bereits mit Snapchat gearbeitet, um eine sehr junge Zielgruppe zu erreichen? Falls ja, wie waren Ihre Erfahrungen?

Marco Lauerwald: Aktuell sind Snapchat und TikTok keine Kanäle, auf die wir uns fokussieren. Fokussierung ist hier auch das richtige Stichwort. Wir haben nur begrenze Ressourcen, und die stecken wir in Kanäle wie Instagram, Pinterest oder YouTube. Auf Snapchat, Twitch und TikTok haben wir zum Teil erfolgreiche Tests gemacht. Wir haben aber die Entscheidung getroffen, dass wir uns auf eine bestimmte Auswahl an Kanälen reduzieren wollen, die aber dafür 100 Prozent unserer Aufmerksamkeit bekommen. Wir behalten die Landschaft der sozialen Medien genau im Auge, führen Tests durch und schauen, ob es sich lohnt, in den Kanal zu investieren.

Nutzen Sie virtuelle Realität (VR), um Ihren (potenziellen) Kunden attraktive Urlaubsziele nahezubringen? Falls ja, wie gehen Sie vor, und wie gut kommt das Angebot bei Ihrer Zielgruppe an?

Marco Lauerwald: In unserem Urlaubsguru-Store in Unna haben wir mehrere VR-Brillen, mit denen Urlaubsregionen virtuell besucht werden können. Das Angebot kommt super bei unseren Kunden an. Vor allem, weil sie das von klassischen Reisebüros nicht gewohnt sind.

Stellen Sie sich in Ihrer Kommunikation von Urlaubsangeboten darauf ein, dass viele Nutzer sich die Anzeigen über digitale Sprachassistenten vorlesen lassen (werden)? Ändern sich dadurch Struktur und Tonalität der Angebote?

Marco Lauerwald: Bereits seit zwei Jahren legen wir in der Produktion von Content sehr viel Wert auf die Voice-Kompatibilität. Dafür haben wir in vielen Schulungen gelernt, wie digitale Assistenten funktionieren, und darauf basierend unseren Content optimiert. Wenn man zum Beispiel Google Home fragt, welche die beste Reisezeit für Thailand ist, wird unser Ergebnis vorgelesen. Des Weiteren arbeiten wir zusammen mit unserem Innovationsmanagement an Lösungen für Skills und Apps rund um das Thema Voice.

Herr Lauerwald, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch und den Einblick in die aktuellen Entwicklungen in der Tourismusbranche.

Social Recruiting mit WhatsApp

Manpower nutzt für das Recruiting die Kommunikation über WhatsApp und informiert damit Kandidaten über passende Stellenangebote. Ein derzeit noch großer Vorteil der Messenger-Dienste gegenüber anderen Social-Media-Kanälen ist die Tatsache, dass kein Algorithmus Inhalte ausfiltert oder priorisiert. Die ManpowerGroup hat den ersten Piloten zur Kommunikation über WhatsApp schon Anfang 2016 gestartet. Seither arbeitet der Personaldienstleister intensiv mit WhatsApp, um den Kandidaten über den Messenger Newsletter mit Jobangeboten zukommen zu lassen. Ergeben sich daraus Fragen, können diese via Messenger schnell, persönlich und unkompliziert geklärt werden.

Wir wollten von James Groh, Digital Coordinator bei der Manpower GmbH & Co. KG, wissen, wie intensiv das Angebot von der Zielgruppe genutzt wird und ob Manpower bereits mit Chatbots arbeitet, um eingehende Fragen zu beantworten.

James Groh: »Mindestens 30 Prozent der Bewerber suchen aktiv den zusätzlichen Kontakt über WhatsApp, nachdem sie sich beworben haben. Neben WhatsApp bietet auch der Facebook Messenger eine starke Durchdringung der Zielgruppe. Wir bieten diesen Kanal an, ohne ihn aktiv zu bewerben. Der Fokus liegt primär auf der persönlichen Kommunikation über den Messenger-Dienst WhatsApp. Da wir sehr individuell auf Fragen rund um eine Bewerbung eingehen, kommt bisher noch kein Bot zur Beantwortung von Fragen zum Einsatz. Die Planung hierzu läuft aber bereits.«

Für das Social Recruiting hat auch die Daimler AG schon erfolgreich mit WhatsApp gearbeitet. Die Interessenten für eine Stelle bei Daimler konnten den Arbeitsalltag einer Mitarbeiterin über WhatsApp verfolgen und ihr gezielt Fragen stellen.

Die Bedeutung von Messenger-Diensten liegt auf der Hand, wenn es darum geht, die attraktive Zielgruppe der Digital Natives auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Im Zuge des Fachkräftemangels bei MINT-Berufen oder in der Beratung wird es immer wichtiger, für die wenigen Spezialisten als attraktiver Arbeitgeber zu erscheinen. Wer die passenden Kanäle bietet oder gar mit einer One-Click-Bewerbung punktet, ist auf dem richtigen Weg. Geht es um schwer zu besetzende Ausbildungsplätze, kommt auch eine Plattform wie Snapchat ins Spiel, wie wir in Kapitel 11 sehen.

Definition

Digitale Sprachassistenten kommen in Smartphones sowie in smarten Lautsprechern wie Alexa von Amazon oder Google Home zum Einsatz, aber auch in Anwendungen rund um das Smart Home inklusive Smart TV oder in den in ein Fahrzeug integrierten digitalen Sprachassistenten. Die Spracherkennungssoftware Siri von Apple war Vorreiter, wird jedoch derzeit von der Konkurrenz überholt, weil sie sich zu wenigen Drittanbietern öffnet. Zu Alexa hingegen gibt es bereits Tausende Skills, also Plug-ins, mit zusätzlichen Funktionen, ähnlich sieht es bei Google Home mit den Diensten aus.

Digitale Sprachassistenten

Die Postbank hat für ihre Digitalstudie 2019 im ersten Quartal des Jahres 3.126 Deutsche dazu befragt, ob und wofür sie digitale Sprachassistenten in ihrem Alltag nutzen.7 Bei den unter 40-Jährigen spricht jeder zweite mit seinem digitalen Sprachassistenten, über alle Altersgruppen ist es jeder dritte. Siri und der Google Assistant sind aktuell noch am beliebtesten. Die Digital Natives präferieren Siri und die Gesamtbevölkerung den Google Assistant – beide deutlich vor Amazons Alexa. Dabei verteilt sich die Nutzung auf Smartphones und intelligente (also smarte) stationäre Lautsprecher mit digitalen Sprachassistenten wie Amazon Echo, Google Home oder HomePod.

image

Abbildung 13-5 Postbank-Digitalstudie 2019: Nutzung digitaler Sprachassistenten in Deutschland

Der Trend ist klar erkennbar: Die Mensch-Maschine-Interaktion geht auf die nächste Stufe und erleichtert dem Menschen, in seinem Smart Home seine smarten Lautsprecher und Fernseher bequem und natürlich zu steuern. Auch sonstige Smart-Home-Geräte, Wearables und in das Auto integrierte Sprachassistenten werden immer beliebter. Sprechen ist nun einmal schneller und bequemer, als zu schreiben oder über ein Menü zu navigieren. Mit der unkomplizierten Sprachsteuerung werden jedoch nicht nur junge Technikfreaks gelockt, sondern auch die im Durchschnitt etwas weniger technikaffinen Senioren. Für sie kann die Sprachsteuerung von Heizung, Rollläden, Kaffeemaschine und Kühlschrank bedeuten, dass sie selbst mit körperlichen Einschränkungen noch länger selbstbestimmt zu Hause leben können.

Hier und da tut sich die Technik weiterhin etwas schwer. Wer zu komplizierte Fragen stellt oder in starkem Dialekt spricht, erntet von Siri & Co. eventuell ein verständnisloses »Ich weiß nicht, was du meinst.«

Als Unternehmen müssen Sie künftig versuchen, Ihren Content an die neuen sprachgesteuerten Touchpoints anzupassen, damit die digitalen Sprachassistenten Ihre Produkte und Serviceleistungen finden. Dabei gilt es, personalisierte Inhalte und Keywords zu berücksichtigen, die auch für einen mit Sprache gesteuerten Suchauftrag funktionieren. Letztlich kommen wir wieder auf unsere erste und wichtigste Regel des erfolgreichen Social Media Marketing zu sprechen: Zuhören lernen! Kennen Sie die Fragen Ihrer Kunden und verstehen Sie deren natürliche Sprache, lässt sich diese Erkenntnis für Voice Search hervorragend einsetzen.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben Sie bereits in Kapitel 9 mit ihrer Instagram-Kampagne und den Take-overs kennengelernt. Die BVG ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern geht mit der Zeit und bietet seit 2018 einen Alexa-Skill an. Damit können sich die Nutzer per Amazon Echo und mittlerweile auch über Google Home sprachgesteuert über Verkehrsanbindungen in und um Berlin informieren. Auch wenn das Angebot nicht sofort einen durchschlagenden Erfolg zeigte, glaubt die BVG fest an die Bedeutung digitaler Sprachassistenten, um den Kunden einen leichten Zugang zu ermöglichen. Perspektivisch sollen darüber nicht nur Auskünfte angeboten, sondern auch Fahrkarten verkauft werden. Für den Facebook Messenger hat die BVG einen Chatbot entwickelt, damit Kunden und Touristen aus dem In- und Ausland auf ihrem gewohnten Kommunikationskanal Verbindungen in Erfahrung bringen können.8 Mittlerweile verkauft die BVG über diesen Kanal auch schon Tageskarten für Berlin, ohne dass sich die Kunden zuvor registrieren müssen.

In Kapitel 4 finden Sie mit dem MuseumsCafé & Hofladen Zeisset ein weiteres Beispiel für die Anwendung von Alexa-Skills.

Smarte Lautsprecher funktionieren zu Hause oder im Büro, sind jedoch für die mobile Nutzung unterwegs nicht geeignet. Doch auch das Smartphone kann als mobiler Dauerbegleiter langfristig an Bedeutung verlieren, nämlich dann, wenn sich die Wearable Technology weiter ausbreitet.

Definition

Zur Wearable Technology, kurz auch Wearables genannt, gehört Computertechnik, die der Mensch am Körper trägt. Das kann eine Armbanduhr (Smart Watch, zum Beispiel die Apple Watch) sein, ein Fitnessarmband oder eine digitale (Sonnen-)Brille wie die Spectacles. Auch Kleidung mit integrierter Zusatzfunktion zählt zur Wearable Technology.

Besonders Brillen und Sonnenbrillen sind beliebte Wearables. Dazu gehören die Datenbrille Google Glas oder die VR-Brillen der Facebook-Tochter Oculus. Die Spectacles aus dem Hause Snapchat lernen Sie in Kapitel 9 kennen. Auch Intel, Apple sowie die Deutsche Telekom und die Carl Zeiss AG arbeiten an raffinierten Datenbrillen. Letztere bieten eine Kombination mit normalen Brillen, sodass Menschen mit einer Fehlsichtigkeit nun auch Datenbrillen problemlos tragen können. Da bekommt der Begriff »always on« eine ganz neue Bedeutung.

Der Vorteil der internetfähigen Brillen liegt klar auf der Hand. Bis die Nutzer das Smartphone mühsam aus der Tasche geholt haben, ist der lustige oder überraschende Moment längst vorbei, den sie für ihre Insta-Story oder ihren Snap einfangen wollten.

Pro und Kontra Chatbots

Für Messenger-Dienste und digitale Sprachassistenten werden immer häufiger Chatbots eingesetzt, um in der gewünschten Tonalität Servicemitarbeiter zu entlasten und eine 24/7-Erreichbarkeit anzubieten. Werkstätten können auf diese Weise Termine vergeben, und Kaufprozesse lassen sich durch gezielte Beratung unterstützen. Doch Chatbot ist nicht gleich Chatbot, und die Bandbreite erstreckt sich von einfachen Datenbankabfragen bis zu künstlicher Intelligenz, die diesen Namen verdient. Chatbots mit KI entwickeln sich weiter und lernen durch die Gespräche mit Kunden. Dennoch müssen die Unternehmen eine genaue Strategie dahin gehend erarbeiten, für welchen Zweck der Einsatz eines Chatbots sinnvoll ist. Ist der Mehrwert des Menschen in einem Prozess gering, kann ein Bot ihn ersetzen und zu niedrigeren Kosten den Kunden weiterhelfen.

Klassisch kommunizieren oder spezielle Anliegen im Servicebereich klären, das wollen die meisten Menschen immer noch mit einem menschlichen Gegenüber – und nicht mit einer Maschine. Zudem stoßen die Chatbots schnell an ihre Grenzen, wenn die Kunden erwarten, dass ihnen eine persönliche Betreuung unkompliziert weiterhilft.

Es spricht nichts dagegen, zunächst in den Dialog mit einem Chatbot einzusteigen. Werden die Fragen komplizierter, kann eine Verwaltungsplattform an den Kollegen Mensch übergeben. Dabei sollte ein intelligentes Community-Management-System die reibungslose Kommunikationskette gewährleisten und erkennen, wann der Dialog die Fähigkeiten des Chatbots übersteigt. Stellt sich nach einem mühevollen Gespräch heraus, dass der Bot die Frage nicht zufriedenstellend beantworten kann, führt es zu Unmut, wenn der Kunde wieder ganz neu in einen Dialog mit dem Unternehmen einsteigen muss. Die Unterhaltung sollte ohne Unterbrechung weitergehen, wenn der Chatbot das Gespräch an den Kundenberater übergibt. Der Kundenberater sollte dann auch alle bereits ausgetauschten Informationen kennen, um den Kunden nicht durch wiederholte Fragen zu verärgern.

Tipp

Arbeiten Sie mit Chatbots, sollten Sie den Anbieter sorgfältig auswählen und rechtliche Aspekte nicht vergessen. Dazu gehören ein Verweis zur Datenschutzerklärung oder dem Link zum Impressum sowie die korrekte Einwilligung des Nutzers, wenn er Chatbot-Nachrichten abonniert. Weitere Hinweise können Sie Kapitel 13 entnehmen.

Gut funktionierende Chatbots liefern ihren Nutzern passgenauen Content, den diese durch automatisierte und personalisierte Dialoge abrufen. Die Unternehmen erhalten im Gegenzug zahlreiche Informationen über die Vorlieben ihrer Kunden und können so mit ihnen leichter ein Gespräch beginnen. Außerdem erhöhen die Unternehmen mit kreativen Marketingkampagnen die Bekanntheit ihrer Marke und binden Kunden an sich. Dazu schauen wir uns mit Kwitt ein Beispiel der Sparkasse an.

Praxisbeispiele für Chatbots: der Bote der Sparkasse

Bislang dienen Chatbots in der Regel dazu, Auskünfte zu erteilen oder zu unterhalten. Eher zu letzterer Kategorie gehört der »Bote« der Sparkasse, der seinen Kunden anbietet, für sie Geld einzutreiben. Nennt der Nutzer dem Chatbot einen Betrag und den Namen des säumigen Schuldners, wird der Geldeintreiber aktiv und produziert ein persönliches Video. Mit diesem unterhaltsamen virtuellen Freund wirbt die Sparkasse für die App Kwitt. Mit ihr lässt sich Geld schnell von Handy zu Handy versenden, was sich gut für kleinere Beträge im Freundeskreis eignet.9

image

Abbildung 13-6 Die Sparkasse arbeitet bei ihrer App Kwitt mit dem Chatbot »der Bote«.

Im Facebook Messenger können Sie unkompliziert den Wetterberater von WetterOnline nutzen. Mit »Start« legt er los, und das Keyword, um die Wettervorhersage wieder abzubestellen, lautet »Ruhe«, eigentlich ganz originell! Allerdings mag auch dieser Chatbot keine zu komplizierten Fragen und versucht schnell, auf eine tägliche Routine zu kommen mit dem Wetter des gewünschten Orts. Daher eignet sich der Bot gut für häusliche Menschen, die sich täglich für das Wetter an ihrem Wohnort interessieren. Wer viel reist, muss jeweils lange mit dem elektronischen Helfer diskutieren, was bei dessen bislang etwas eingeschränkten Wortschatz schnell anstrengend wird.

Tipp

Wenn Sie noch tiefer in das Thema Chatbots einsteigen und sich regelmäßig über Neuerungen informieren möchten, empfehlen wir die Lektüre von https://chatbotsmagazine.com/ oder https://chatbotslife.com/.

Personalisierte Angebote über Beacons

Wir haben schon über den Mobiltrend gesprochen, der weniger ein Trend ist als vielmehr eine feststehende Tatsache. Da die meisten Menschen ihr Smartphone immer dabeihaben und unzählige Male am Tag draufschauen, sind Technologien für das Marketing interessant, um Smartphones zu orten und Kunden unterwegs gezielt anzusprechen. Dieser Trend der Nähe zum Kunden, bei dem Werbung und Coupons auf das Smartphone geschickt werden, wird auch Proximity Marketing genannt. Für den Kunden besteht der Vorteil darin, personalisierte Angebote zu erhalten, der Preis dafür sind mal wieder seine Daten.

Bei einem Beacon handelt es sich um einen sehr kleinen Sender, der auf Bluetooth basiert und in regelmäßigen Intervallen per Funk ein Signal in Form einer Push-Nachricht übermittelt. Beacons benötigen folglich weder GPS noch WLAN zur Kontaktaufnahme mit den Kunden. Haben Mobilnutzer die Bluetooth-Funktion aktiviert und erlauben den Empfang von Nachrichten, können sie zum Beispiel über eine App personalisierte Angebote erhalten. Eine weitere Voraussetzung ist eine räumliche Nähe zwischen dem Beacon und dem Smartphone-Nutzer von weniger als 50 Metern, abhängig von den Raumbedingungen und dem Hersteller des Beacon.

Beacons werden beispielsweise in Smart Hotels eingesetzt, um den Vorgang des Check-ins zu beschleunigen. Dabei handelt es sich um eine klassische Win-win-Situation, bei der das Hotel Kosten spart und der Kunde zufrieden ist. Der persönliche Kontakt bleibt dabei keineswegs auf der Strecke, vielmehr kann der Rezeptionsmitarbeiter den Gast gleich freundlich und persönlich begrüßen und ihm den vorausgefüllten Meldezettel zur Unterschrift vorlegen. Am Abreisetag spart sich der Kunde das Warten auf die Rechnung und bezahlt automatisch und digital beim Auschecken.10 Die bislang wenigen Nutzer kritisieren die Fülle an Daten, die sie über die App bereitstellen müssen. Zudem kostet sie reichlich Datenvolumen, und Bluetooth muss dauerhaft aktiviert sein.

Bei der Near Field Communication (NFC) wird die NFC-Verbindung vom Nutzer bewusst aufgebaut und hat mit wenigen Zentimetern eine weit geringere Reichweite als Beacons. NFC gilt als sicherere Technik, um Daten zu übertragen, und wird daher für Bezahlvorgänge genutzt. Gegenüber Beacons ist die NFC-Technik für den Anbieter preiswerter umzusetzen. NFC könnte auch die nie durchschlagend populär gewordenen QR-Codes ersetzen, was das digitale Marketing in der analogen Welt anbelangt.

Gamification

Gamification setzt Situationen, Elemente und Konzepte, die für ein Spiel typisch sind, in einen spielfremden Zusammenhang. Dabei wird der Spieltrieb des Menschen erfolgreich als Motivation für den Arbeitsalltag oder das Marketing genutzt. Sogar ungeliebte Routinearbeiten können damit Freude machen, denn die Spieler erhalten unmittelbar Feedback und Anerkennung. Idealerweise gewinnen alle dabei, und statt einfacher Bestenlisten und Punktesysteme lassen sich mit der nötigen Kreativität raffiniertere Lösungen zaubern.

Für das Employer Branding wird Gamification erfolgreich eingesetzt, um hoch qualifizierte und motivierte junge Mitarbeiter zu gewinnen. So bietet zum Beispiel die RWE Selbsttests in Form von Games, um den Inhalt technischer Berufe potenziellen Bewerbern anschaulich und mit spielerischem Charakter nahezubringen. Auch in der Aus- und Weiterbildung lässt sich Gamification hervorragend einsetzen. Der spielerische und kompetitive Ansatz erhöht die Motivation der Mitarbeiter und verringert zugleich den Lerndruck.

Im Social Media Marketing lässt sich Gamification ebenfalls hervorragend einsetzen. Bei der wachsenden Flut an Content auf immer mehr Plattformen geht es darum, den Kunden zu erreichen, seine Aufmerksamkeit für mehr als ein paar Sekunden zu gewinnen und sein Engagement zu fördern. Dass das mit Spielen gut möglich ist, zeigen Computerspieler, die viele Stunden oder Tage in ihr Spiel vertieft sind. Gelingt es Ihnen nun, die Kunden möglichst lange auf Ihrer Website, in Ihrem Webshop oder in Ihrem Ökosystem zu halten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas kaufen, sich informieren oder in ihrem Netzwerk eine Empfehlung aussprechen.

Augmented und Virtual Reality

Die virtuelle und die erweiterte Realität sind keine brandneuen Themen, sie haben sich bislang aber immer noch nicht in der Breite durchgesetzt. Für Unternehmen ist Augmented Reality (AR), also die erweiterte Realität, interessant, aber auch kostspielig. Daher gilt es, genau zu überlegen, ob ein solcher Ansatz für die Produkte oder Serviceleistungen des Unternehmens hilfreich ist. Mithilfe von AR lässt sich ein Ort virtuell ergänzen, wie manche es noch von dem Hype um Pokemon Go kennen. Auch die Filter von Snapchat arbeiten mit AR-Technologie. Das Erlebnis ist für die Nutzer interaktiv und mitunter mit starken Emotionen verbunden.

Definition

Virtual Reality (VR), oder auf Deutsch virtuelle Realität, ist eine computergenerierte Wirklichkeit. Da die Nutzer eine VR-Brille und einen Kopfhörer tragen, klammern sie die »echte« Realität aus und tauchen komplett in die künstliche Welt ein. Bei Augmented Reality (AR), auf Deutsch erweiterte Realität, oder auch Mixed Reality werden die echte Welt und die computergenerierte Wirklichkeit miteinander verbunden.

So klingt es noch futuristisch, dass in Zukunft mithilfe von AR bestimmte Produkte im Laden für uns visuell hervorgehoben werden sollen. Weiß der Supermarkt, dass wir gern ausgefallene Müslisorten kaufen, könnte er uns den direkten Weg zu einer neuen Sorte weisen. Ob das eine tolle Serviceleistung oder eine furchteinflößende Zukunftsvision ist, mag jeder für sich entscheiden. Doch es gibt zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten in Wissenschaft und Kultur, aber auch für Messestände, bei Events oder am Point of Sale im Ladengeschäft. Der Verkauf hochpreisiger Konsumgüter oder von Immobilien lässt sich durch ein VR-Angebot ergänzen. Der Kunde kann dann virtuell durch sein Traumhaus schlendern oder sich das Wunschauto vorab mit allen Details aus der Nähe anschauen.

IKEA arbeitet bereits mit AR, sodass Kunden mit der App IKEA Place virtuell ein Möbelstück in ihrem Wohnzimmer platzieren und prüfen können, wie es mit der bisherigen Einrichtung harmoniert.11 Die gleiche Funktion bietet die App RoomAR, doch deren Idee geht noch weiter. Die App schlägt ergänzende Einrichtungsgegenstände vor, die gut zu den Möbeln passen und die der Kunde unmittelbar im zugehörigen Onlineshop bestellen kann. Mit entsprechenden Algorithmen lernt die App den Geschmack des Kunden mit der Zeit besser kennen.12

image

Abbildung 13-7 Wer sich Billy zunächst probehalber in sein Wohnzimmer stellen möchte, kann die App Place von IKEA ausprobieren

Virtual Reality (VR) ergänzt die Realität nicht, sondern ersetzt sie durch eine künstliche Realität. Wer eine VR-Brille und meist auch Kopfhörer aufsetzt, ersetzt seine Umgebung durch eine am Computer geschaffene Wirklichkeit. Für Computerspiele eignet sich diese künstliche Umgebung besonders gut. Die Facebook-Tochter Oculus hat 2018 mit Oculus Quest sogar eine Stand-alone-VR-Brille auf den Markt gebracht, die allein mit Headset und Controller funktioniert. Zudem werden über ein Raumtracking die Bewegungen des Körpers in die virtuelle Realität übertragen: Die Brille warnt den Spieler vor dem Zusammenstoß mit anderen Spielern oder Möbeln.

Außerhalb der Spielewelt lässt sich VR auch für Onlineshops nutzen, da Käufer die Produkte näher betrachten können. Mit dieser Technologie ist ein bequemer Einkaufsbummel vom heimischen Sofa aus möglich – virtuell und ohne Parkplatzsuche, Kassenschlangen und Gedränge.

Für Forschung, Kultur und Museen gibt es gleichfalls interessante Ansatzpunkte. Ein naturhistorisches Museum kann die Tiere der Urzeit nicht wieder zum Leben erwecken, aber sich ihnen mithilfe von VR hautnah nähern. Das Senckenberg Naturmuseum bietet dieses Erlebnis seinen großen und kleinen Besuchern, indem es ihnen ein virtuelles Eintauchen in das Jurameer ermöglicht.13

image

Abbildung 13-8 Projektleiter Philipe Havlik und der ehemalige Museumsleiter Dr. Bernd Herkner testen die VR-Brillen im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt. (Foto: Senckenberg/Tränkner)

Interview

VR-Technik für das Museum

Ein Interview mit Philipe Havlik, Mitarbeiter im Stab Zentrale Museumsentwicklung

Als regelmäßige Museumsbesucherin ist für mich das Senckenberg Naturmuseum Pflichtprogramm. Dort begeistern mich nicht nur die wechselnden interessanten Ausstellungen, sondern auch, wie aufgeschlossen das Museum neuer Technik gegenüber ist.

Ich habe in Frankfurt mit Philipe Havlik, Mitarbeiter im Stab Zentrale Museumsentwicklung, gesprochen und wollte zunächst wissen, was der ausschlaggebende Grund war, mit der VR-/AR-Technik zu arbeiten und welche Zielgruppe er vor Augen hatte.

Philipe Havlik: Wir versuchen generell, neue Technologien, die einen Mehrwert für unsere Besucher bringen, auch in unsere Ausstellungen zu integrieren. Da allerdings die Produktion von VR-Anwendungen sehr teuer ist, konnten wir uns die Investition zunächst nicht leisten. Erst als ein Student der Uni Mainz auf den damaligen Museumsleiter Dr. Bernd Herkner zukam, ergab sich die Möglichkeit, eine Anwendung kostengünstig zu produzieren. Inzwischen lassen sich die Investitionen durch eine kleine Nutzungsgebühr nach etwa zwei Jahren refinanzieren. Wir hatten im ersten Jahr 40.000 Nutzer, davon 60 Prozent Kinder und 40 Prozent Erwachsene.

Herr Havlik, was waren die größten Hindernisse bei der Umsetzung, und was würden Sie bei dem nächsten VR-/AR-Projekt anders angehen?

Philipe Havlik: Bei der ersten Anwendung, die 2016 mit der Uni Mainz erstellt wurde, handelte es sich um einen Prototyp, der noch kein fertiges Produkt war. Die Nachbearbeitung durch eine professionelle Firma war zwar recht kostengünstig, weil sie auf den Prototyp aufbauen konnte, aber dadurch kam es zu Kompatibilitätsproblemen. Die Animation wäre besser geworden, wenn die professionelle Firma die Modelle selbst gebaut hätte. Darum würde ich heute den Auftrag direkt an die Profis geben. Ansonsten würde ich auch nicht mehr mit Handys und der Samsung Gear als Hardware arbeiten. Das ist zu ruckelig, außerdem überhitzen die Handys im Dauerbetrieb sehr schnell und fallen dann aus. Wir verwenden inzwischen die VR-Brille HTC-Vive und einen leistungsfähigen PC. Zudem ist die Software nicht mehr nur ein 3-D-Film, sondern eine getrackte VR-Anwendung in der Spiel-Engine Unity.

image

Abbildung 13-9 In der VR-Installation Jurameer gibt es die längst ausgestorbenen Ammoniten zu sehen. (Copyright: Die Infografen UG)

Zu guter Letzt interessiert mich noch, was das Senckenberg Naturmuseum bezüglich VR/AR als Nächstes vorsieht.

Philipe Havlik: Mit der im April 2019 veröffentlichten Senckenberg-App stellt das Naturmuseum einen vollständig überarbeiteten Mediaguide bereit, ausgestattet mit vielen Hintergrundinformationen und Extras. Ein besonderes Exemplar der Sammlung erwacht sogar per Augmented Reality zum Leben: Edmontosaurus, die Dinomumie, ist nur eines von zwei derart gut erhaltenen Originalen weltweit. In der App erhebt sich der Urzeitriese in seiner gläsernen Vitrine und begrüßt eine Herde Artgenossen, die zwischen den Museumsbesucher/-innen umherläuft. Der Mediaguide soll ständig erweitert und überarbeitet werden. Geplant ist zudem eine virtuelle Tauchfahrt in die Tiefsee, allerdings nicht mit Brille, sondern mit Bildschirmen. Außerdem ist das Senckenbergmuseum beim Google Cultural Institute (https://artsandculture.google.com/partner/senckenberg-nature-museum-frankfurt) vertreten sowie bei Google Expeditions: http://bit.ly/2DDgx8K. Exponate des Senckenberg Museums sind ebenfalls in der Museumsufer-App zu sehen.

Lieber Herr Havlik, ich danke Ihnen ganz herzlich für den spannenden Blick hinter die Kulissen des Senckenberg Museums.

Mit der App Google Arts & Culture lässt sich das Senckenberg Museum auf virtuellen Rundgängen erkunden. Die Nutzer haben über die App bereits Zugriff auf mehr als 1.000 Museen weltweit.

Auch für das Recruiting ist die VR-Technik interessant. So bietet Bayer potenziellen Bewerbern mit #BAYER360 eine VR-Erfahrung, um das Unternehmen vorab besser kennenzulernen. Die VR-Videos können auf einer Karrieremesse mit VR-Brille angeschaut werden, aber auch einige 360-Grad-Videos über die YouTube-App auf dem Smartphone oder dem PC.14

Wird VR/AR noch seinen Durchbruch erzielen und im Unternehmensalltag nachhaltig Einzug halten? Darüber und über die Bedeutung von Messenger-Diensten spreche ich mit Torsten Jensen. Als Digital Innovator beschäftigt er sich schon seit Jahren strategisch und operativ mit diesem Thema.

image

Abbildung 13-10 Torsten Jensen, Experte für Entrepreneurship, Startups & Innovation (Foto: Matthias Rüby)

Interview

»Die Vielfalt der Kanäle wächst in Zukunft«

Ein Interview mit Torsten Jensen, Experte für Entrepreneurship, Start-ups und Innovation

Torsten Jensen ist Senior Manager Digital Innovation bei Ernst & Young (EY). Bei EY unterstützt er Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Transformation und teilt als Dozent an verschiedenen Hochschulen sein praktisches Wissen in den Gebieten digitale Geschäftsmodelle und Onlinetrends. Im Ehrenamt ist Jensen Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Start-ups e. V. und Sprecher für NRW.

Herr Jensen, mit Messenger-Diensten zu arbeiten, war bislang für Unternehmen interessant, da es keinen Algorithmus gibt und die Öffnungsraten der Nachrichten hoch sind. Nun gibt es erste Überlegungen, einen Algorithmus zu entwickeln und Werbung zu platzieren. Was bedeutet dies für die Unternehmen, und welche Strategie sollten sie in der Konsequenz fahren?

Torsten Jensen: Unternehmen sollten nicht verwundert sein, dass die Anbieter von Messenger-Diensten solche Schritte in Erwägung ziehen. Sobald eine kritische Masse an Usern erreicht und der Service aus dem Nutzeralltag nicht mehr wegzudenken ist, muss der Anbieter sich die Frage nach der Monetarisierung stellen. Aus Nutzersicht kann das auch sinnvoll sein. Algorithmen wie der Newsfeed wurden eingeführt, um die Nutzer vor einer Informationsflut zu schützen und ihnen immer die relevantesten Beiträge zu zeigen. Unternehmen stellen diese Algorithmen vor die Herausforderung, relevanten Content zu kreieren. Die Unkreativen müssen sich Reichweite durch Paid Media erkaufen. Die besten Ergebnisse erzielt man weiterhin durch die Bewerbung von kreativen Beiträgen mit Ads. Dies gilt früher oder später auch für Messenger-Dienste.

Wer sich die asiatische All-in-one-App WeChat anschaut, bekommt ein Gefühl dafür, wohin die Reise mit Messenger-Diensten gehen könnte. Die Deutschen von einer elektronischen Geldbörse zu überzeugen, wird eine hart zu knackende Nuss. Welche anderen Angebote werden sich aus Ihrer Sicht in Deutschland in absehbarer Zeit durchsetzen? Erwarten Sie einen größeren Marktanteil für WeChat in der DACH-Region, oder wird sich eher der Facebook Messenger zu einer All-in-one-App entwickeln?

Torsten Jensen: Das Thema Mobile Payment ist auch für deutsche Bürger spannend. Es muss aber einfach sein und flächendeckend funktionieren. Seit Ende 2018 ist Apple Pay auch in Deutschland verfügbar.15 Andere Länder haben vier Jahre Vorsprung: Dort wurde der Dienst bereits 2014 eingeführt. Im Bereich Social Media und Messenger hat Facebook in Deutschland weiterhin die Nase vorne.

Fakt ist auch, dass alle großen Internetunternehmen (Facebook, Google, Amazon etc.) dabei sind, komplexe Ökosysteme mit ihren Produkten und Services zu kreieren. Amazon kämpft mit Alexa und Amazon Prime um das Wohnzimmer der Nutzer. Facebook investiert viel Geld in VR-Lösungen und Infrastruktur. Mit Oculus Connect werden zukünftig viele bestehende Geschäftsmodelle infrage gestellt, beispielsweise wird sich der Weiterbildungs- und Schulungsmarkt drastisch ändern. Gerade im industriellen Bereich, wenn man nicht mehr am Anschauungsobjekt (zum Beispiel an einer Baumaschine) schulen muss, sondern den virtuellen Klon von überall aus betrachten und gegebenenfalls sogar virtuell zerlegen kann. Auch in der Medizin können Studierende die Anatomie viel anschaulicher erlernen.

VR und AR sind wichtige Trends, die auch mit der Mensch-Maschine-Interaktion zusammenhängen, wenn wir zum Beispiel an Datenbrillen wie Google Glas, Oculus Rift oder die Spectacles von Snap denken. Bislang halten sich die Anwendungsgebiete im überschaubaren Rahmen, einzelne Unternehmen arbeiten damit zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, und es gibt schöne Beispiele im kulturellen Bereich. Wo sehen Sie den Ansatzpunkt, um die Technik in die Fläche zu bringen? Wird es aus Ihrer Sicht Social Media verändern, und, wenn ja, welchen Einfluss könnte es haben?

Torsten Jensen: Das AR/VR wird die Welt, wie wir sie kennen, massiv verändern. Aktuell befindet sich die Infrastruktur noch im Aufbau. Aber wenn ich die Investments am Markt beobachte, lässt sich Großes erahnen. Facebook hat Oculus Rift gekauft und baut das Unternehmen mit Oculus Connect weiter zur Plattform aus. Fortschritte werden regelmäßig auf der F8-Konferenz (Facebook-Developer-Konferenz) gezeigt. Die Google-Mutter Alphabet und die chinesische Alibaba Group setzen auf das Start-up Magic Leap zur Herstellung einer Mixed-Reality-Brille. Magic Leap hat schon über zwei Milliarden Wagniskapital gesammelt und hatte bereits vor dem ersten Produktlaunch eine Bewertung von mehreren Milliarden. Der Wettkampf um die Infrastruktur ist also längst in vollem Gange.

Mit AR/VR wird man in Zukunft den Content interaktiv und live erleben. Die Auseinandersetzung mit den Inhalten wird viel intensiver werden. Die Herausforderung der Unternehmen liegt künftig noch stärker in der Erstellung von relevantem Content. Die Schaffung von Content für AR/VR ist bislang sehr kostspielig und wird daher (noch) gescheut. Es ist aber abzusehen, dass die Produktion in absehbarer Zeit günstiger wird.

AR/VR bieten unzählige Potenziale. Allein der Markt für Schulungen und Trainings wird sich dramatisch ändern. Reisekosten können in hohem Maße eingespart werden, wenn Mitarbeiter mit ihrem digitalen Avatar an einer Sitzung teilnehmen können.

In Social Media dominieren in den letzten Jahren Bilder und Bewegtbilder. Das Content Marketing hat den Fokus, mit den richtigen Inhalten und unterschiedlichen Formaten die Menschen an geeigneten Touchpoints ihrer Customer Journey zu erreichen. Mit smarten Anwendungen kommt es wieder mehr zum Einsatz von (gesprochener) Sprache. Wie gelingt es Unternehmen, sich dort zu etablieren, und führt dies dazu, dass die Bedeutung von Social Media zurückgehen wird?

Torsten Jensen: Voicebots (zum Beispiel Alexa oder Google Home) finden sich in immer mehr Wohnungen, auch die Nutzung von Siri & Co. nimmt weiter zu. Für Marken wird dieser Trend zu einer großen Herausforderung. Bei dem sogenannten Voice-Commerce können Unternehmen nicht mit visuellen Reizen arbeiten. Für Social Media werden visuelle Content-Formate weiterhin relevant bleiben. Genau, wie es weiter Print gibt, wächst die Vielfalt der Kanäle in Zukunft. Marken und Unternehmen müssen den für ihr Unternehmen relevanten Marketing-Mix neu bewerten.

Sie haben sich viel mit Gamification beschäftigt. Sehen Sie Gamification als den nächsten großen Trend, der die Kommunikation von Marken ähnlich stark verändern wird wie Social Media?

Torsten Jensen: Gamification würde ich eher bei den Methoden und Features der Netzwerke oder als Elemente der Content-Produktion einordnen. Wir leben in einer Ökonomie der Aufmerksamkeit. Es geht darum, die Nutzer bei der Stange zu halten und möglichst lange auf der Plattform zu halten. Hier können wir von den Spielemachern lernen. Es geht darum, sich zu keinem Moment unterfordert oder überfordert zu fühlen. Weiter bedarf es Feedback-Mechanismen wie beispielsweise Highscores, damit der Nutzer immer weiß, wo er gerade steht. Durch den Einsatz von Gamification und die beschriebenen Mechanismen lässt sich die Verweildauer der Nutzer verlängern. Ich bin der Meinung, dass die vorher besprochenen Technologien, wie AR/VR oder Voicebots, die Kommunikation von Marken viel stärker beeinflussen werden, als es Gamification tun wird.

Herr Jensen, ich danke Ihnen sehr herzlich für das Gespräch und Ihren spannenden Ausblick auf die weitere Entwicklung von AR/VR sowie Voicebots und deren Auswirkung auf die Kommunikation.

Künstliche Intelligenz: Wohin geht die Reise?

Die künstliche Intelligenz entwickelt sich stetig weiter und wird für den Einsatz von Chatbots wichtig. Heutige Chatbots tätigen häufig nur Datenbankabfragen und geraten bei komplexeren Abfragen schnell ins Trudeln. Durch künstliche Intelligenz entwickelt sich das System stetig weiter und lernt mit jeder Abfrage dazu.

Bereits seit 2016 gibt es auf Instagram die erste Influencerin, bei der es sich nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut handelt. Miquela Sosa16 wird nie ihre Honorarforderungen in die Höhe treiben und auch sonst kein ungewolltes Eigenleben entwickeln. Eine Influencerin, die sich formen lässt – eine Traumvorstellung für Unternehmen? So verrückt der Ansatz klingt, er funktioniert offenbar, denn @lilmiquela scharrt bereits über 1,6 Millionen Follower um sich. Auch nach ein paar Jahren scheinen noch nicht alle Fans ihre wahre Identität zu kennen. Letztlich stellt sich die Frage, wer mehr Nähe zu seinen Fans aufweist, die millionenschwere Bibi oder ein Roboter? Bei näherer Betrachtung ist der Unterschied vielleicht geringer als gedacht – und in Wahrheit sind die glaubwürdigen Mikro-Influencer die großen Gewinner.

image

Abbildung 13-11 LilMiquela ist ein Roboter und hat zahlreiche Fans auf Instagram.

Im Oktober 2018 versteigerte das Auktionshaus Christie’s zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Kunstwerk, das kein Maler, sondern ein Algorithmus geschaffen hat. Die Gutachter schätzten den Wert des Porträts mit dem klangvollen Namen »Edmond de Belamy« auf maximal 10.000 Dollar – versteigert wurde es für fast eine halbe Million Dollar.17 Auch in der Musik wird KI längst eingesetzt. Im Herbst 2019 lief beispielsweise der Wettbewerb Beats & Bits, in dem »Wissenschaft im Dialog« dazu aufrief, kreative gemeinsame Musik von Mensch und Maschine zu schaffen.18

image

Abbildung 13-12 Daniel Köthe, Marketing Manager DACH bei Talkwalker

Interview

Trends in Social Media

Ein Interview mit Daniel Köthe, Marketing Manager DACH bei Talkwalker

Zum Ausklang unseres Ausblicks habe ich mit Daniel Köthe von der Social-Media-Monitoring-Plattform Talkwalker gesprochen. Der Anbieter von Social-Listening-Tools befragt einmal jährlich Experten der Digitalszene. Aus der Kombination von Interviews mit eigenen Analysen leitet Talkwalker die aktuellen Trends ab. Daniel Köthe beschäftigt sich seit 2014 vor allem mit den Themen Social Media und Content Marketing und verantwortet seit März 2017 bei Talkwalker das Marketing für den deutschsprachigen Raum. Zuvor war er drei Jahre lang App Store Editor bei Apple iTunes und davor als Content-Marketing-Manager für die Amazon EU Sarl tätig.

Herr Köthe, wir haben in diesem Buch bereits darüber gesprochen, dass Social Media in einem stetigen Wandel begriffen sind. Was sind aus Ihrer Sicht die großen Trends, die uns erwarten?

Daniel Köthe: Aus den Gesprächen, die wir regelmäßig mit Experten, Kunden und Partnern führen, kristallisieren sich klare Tendenzen für die kurz- und mittelfristige Zukunft. Am spannendsten finde ich die Möglichkeiten der Automatisierung – sowohl im Bereich der Aussteuerung von Content als auch und vor allem in der Analyse seiner Zielgruppe unter dem Stichwort Social Listening. Als Konsequenz hieraus würde ich als zweiten Punkt das PR-Thema »Brand Purpose« nennen. Dahinter versteckt sich die Haltung von Unternehmen, die über die sozialen Medien zum Marketingthema und im Nachgang sogar zum HR-Thema wird. »Wofür stehe ich?« sorgt nicht nur für Markenimage, sondern für Umsatz und eben auch für Bewerbungen. Persönlich finde ich außerdem das Thema »Social Selling« extrem interessant. Social-Media-Pages bilden nunmehr alle Schritte des Customer Life Cycle bis hin zum finalen Kauf ab und lösen damit Review-Websites immer mehr ab. Darauf sollten sich vor allem B2C-Marken mit ihren Owned und Earned Channels einstellen.

Künstliche Intelligenz (KI) ist in vielen Bereichen ein wichtiges Thema und wirkt immer stärker auf das Social Media Marketing ein. Dazu gehört die Unterstützung des Content Marketing durch KI, beispielsweise mit Textrobotern, im Bereich der Bilderkennung und der Suche nach passenden Motiven für eine Kampagne. Wovon profitieren Kommunikationsprofis aus Ihrer Sicht am meisten, wenn es um das Thema KI geht, und wo sehen Sie Risiken?

Daniel Köthe: KI im Marketing ist schon lange ein Hype und wird von vielen kritisch gesehen. Viele KI-Anwendungen sind da wenig mehr als Algorithmen und Automatismen. Sie werden schon lange eingesetzt und haben mit KI nicht viel zu tun. Chatbots spucken beispielsweise oft nur automatisch Datenbankeinträge aus, die sie für die richtige Antwort in einer Kommunikation mit Konsumenten halten. Andererseits sehe ich beim Social Media Monitoring für die praktische Lebenswelt eines Marketers wertvolle technische Fortschritte. Monitoring bedeutete bisher oft viel manuelle Arbeit bei der Erstellung der Search Queries mit booleschen Operatoren. Dies kann eine AI-Engine heute schon zum Großteil übernehmen und somit die Social-Media-Analyse wesentlich beschleunigen.

In dem Zusammenhang prognostizieren Sie, dass es immer mehr Influencer wie LilMiquela gibt, also letztlich Roboter. Wir sprechen davon, dass Mikro-Influencer dank ihres authentischen und glaubwürdigen Auftretens die Makro-Influencer in den Hintergrund drängen. Eine von Software geschaffene Gestalt werden die wenigsten Menschen als authentisch empfinden – was macht den Reiz für die Fans und Follower aus, einer solchen Kunstfigur zu folgen?

Daniel Köthe: Persönlich glaube ich, dass es hierbei ausschließlich um die Faszination geht, dass so etwas grundsätzlich möglich ist: das Schaffen einer KI-Figur, die durch die Interaktion mit den Fans zum Leben erweckt wird. Auch diese Art von »Fake-Influencern« wird es weiterhin geben, denn sie wirken trotz ihres künstlichen Ursprungs authentisch auf ihre Follower. Und Authentizität und Glaubwürdigkeit sind hier die verbindenden Elemente zu anderen Trends wie Brand Purpose oder Mikro- und Nano-Influencern.

Mikro-Influencer spielen mittlerweile eine ebenso so große Rolle wie Makro-Influencer. Wie können die Unternehmen mit beiden Gruppen effizient arbeiten und sie für sich nutzen?

Daniel Köthe: Aufgrund ihrer hohen Glaubwürdigkeit haben Mikro-Influencer die Makro-Influencer in der Relevanz, aber auch in der Ausgabenallokation eingeholt oder sogar überholt. Automatisierte Social-Media-Tools koordinieren und managen Hunderte oder gar Tausende Mikro-Influencer für eine effektive und erfolgreiche Kampagne. Die Aussteuerung des Contents sowie die Kontrolle des Engagements können dann nur noch automatisiert erfolgen und überwacht werden. Dies geschieht idealerweise in Verbindung mit Get-togethers und Konferenzen, die das Netzwerken unter und mit diesen Mikro-Influencern stärken. Das gezielte Versenden von Gimmicks kann die Beziehung weiter vertiefen. Mikro- oder Nano-Influencer sind auch deshalb interessant, weil sie über ihre Themen Einfluss ausüben und nicht über ihre Reichweite.

Wie wird die Generation Z das Social Media Marketing verändern, und welche Rolle spielen dabei Corporate Influencer?

Daniel Köthe: Die Generation Z, die erste durchdigitalisierte Konsumentengruppe, tritt in die Arbeitswelt ein, und das verändert die Art und Weise, wie Unternehmen und ihr Marketing funktionieren. Contents müssen teilbar, Markenerfahrungen unmittelbar und »seam- and frictionless« erfolgen: Die Customer Experience muss völlig integriert in die Medienerfahrung sein. Rein digitale mobile Angebote müssen Spaß machen und Glücksgefühle auslösen. Spiegelt das Medium, das Produkt oder der Social-Media-Auftritt nicht meine Werte oder meinen Charakter wider, interessiert es mich nicht. Ist man sich dieser Konsumanforderung nicht bewusst, wird man es schwer haben, seine Zielgruppe zu verjüngen.

Lieber Herr Köthe, ich danke Ihnen herzlich für dieses interessante »Quo vadis Social Media?«, das Sie für uns in Abbildung 13-13 noch einmal übersichtlich zusammengefasst haben.

Wir haben uns in diesem Kapitel verschiedene Entwicklungen angeschaut. Wie bei vielen anderen Themen lässt es auch hier sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, welcher Trend sich durchsetzen wird. Daher kommen Sie nicht umhin, den Markt des digitalen Marketings weiterhin aufmerksam zu beobachten und bei jeder Neuerung zu analysieren, ob diese für Ihre Kunden und Produkte nützlich sein kann.

Tipp

Besuchen Sie regelmäßig Veranstaltungen wie die re:publica oder lokale Webmontage, um sich auf dem Laufenden zu halten. Lesen Sie zudem ausgewählte Beiträge auf https://onlinemarketing.de/, https://t3n.de/, https://www.heise.de/, https://www.horizont.net/ oder https://www.wuv.de/.

image

Abbildung 13-13 Die Top-12-Social-Media-Trends für 2019 von Talkwalker

Zusammenfassung

Wir haben uns in diesem Kapitel die bereits recht stark etablierten Messenger-Dienste angeschaut, aber auch Bereiche wie digitale Sprachassistenten und VR, die sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben. In der Welt von Kommunikation und Social Media zeigt sich, dass es nicht mehr nur darum geht, ob ein Trend den anderen ablöst, stattdessen wächst die Vielfalt beständig. Daher besteht die klare Marschrichtung für Unternehmen darin, ihre Kunden und potenziellen Kunden auf der Customer Journey so anzusprechen, dass sie über die gesprochene Sprache, Texte, Fotos, Videos und vergängliche Inhalte gleichermaßen gut erreicht werden. Auch die Chancen von Gamification sowie VR/AR sollten Sie im Auge behalten und auf den Einsatz in Ihrem Unternehmen hin prüfen.

Wie bei vielen anderen Themen auch, lohnt es sich, zu den Early Adopters zu gehören – allerdings nur, wenn Sie Ihre Kunden über den neuen Weg oder die neue Plattform wirklich erreichen. Daher gilt auch hier wieder der bewährte Dreiklang aus Marktbeobachtung, Analyse und Strategie, bevor über erste Maßnahmen und Kampagnen nachgedacht wird.

..................Content has been hidden....................

You can't read the all page of ebook, please click here login for view all page.
Reset
18.119.116.102